Gedichte von Hermann Klöß

Hermann Klöß

(1880 - 1948)




Eine Auswahl

Schlaf
Brunnen im Schnee
Stiller Herbst
Verhüllter Pfad
Heimliches Fest
Abendlied
 
Ausklang
 




Schlaf
Wenn müd ich dir im Arme liege, 
Als Kissen deine junge Brust, 
Kein Königskind in goldgestickter Wiege 
Schläft so voll tiefster Lust. 

Kein Königskind hört, traum–umschlungen, 
Ein Schlummerlied wie deins, gesungen 
Vom Schlag des reinsten Herzens, vom Wehn 
So klaren Atems. Und silberklingend gehen, 
Wie Harfenspiel, dir Melodien 
Im Innern auf und nieder 
All jener tausend Liebeslieder, 
Gejauchzt bald, bald geweint im Blühn 
Des Frühlings, seit die Sterne stehn.


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Brunnen im Schnee

Um unsern alten Brunnen hat
Der Frost sein stählern Kleid geschlagen;
Im kühlen Panzer klirrt das Rad.

Und hundert eisige Speere bricht
Mein Arm, die in den Speichen ragen;
Der schwere Eimer löst sich nicht.

Im Sommer – wie die Kette flog,
Da jeden Abend du der Herde
Hier Wasser schöpftest in den Trog:

Den jungen Busen übern Schacht
Gedrängt mit froher Glücksgebärde,
Wie Sonne grüß in dunkle Nacht.


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Stiller Herbst

Diese Tage klarer Freude,
Edlen Reisens, goldner  Fülle
Reihn sich wie kristallne, große
Perlen durch des Herbstes Stille.

Während Früchte selbst sich lösend,
Sterne schweigend niederfallen,
Hör ich fern, im tiefen Lande
Deinen letzten Schritt verhallen.


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Verhüllter Pfad

Am Dorfesrand, auf frischbeschneitem Feld,
Entdeckt’ ich deine Spur. Ich beugte tief
Mich nieder, küßte stumm das liebe Zeichen.

Und wie ich weiter pilgre in den bleichen,
Vergehnden Tag, – die Abendglocke rief
Zur Ruh’ die müde Winterwelt –,
Berührten Flocken, keusch und silberzart
Wie deine Seele, Augen mir und Wangen.
Es kam die graue Nacht, und leise ward
Der schmale Pfad verhüllt, den du gegangen.


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Heimliches Fest

Seltner werden unsre Feste;
Keine Geigen, keine Scharen
Sorglos zugeströmter Gäste,
Die uns sonst willkommen waren.

Daß am heut’gen Sonnentage
Stille Stunden dich nicht drücken –
Siehst du, wie ich Blumen trage,
Arme voll, dein Grab zu schmücken?

In die Blumen leg’ ich leise
Dann mein Haupt, den Blick zum blauen
Himmel richtend; alter Wiese
Dir und Gott ins Aug’ zu schauen.


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Abendlied
Spannst deine Flügel,
Weit die weichen, träumerischen Flügel
Abend, und fliegst durch die Welt.

Wundersamer Vogel du!
Von keinem Lied die dunkle Brust geschwellt,
Breitest du Schatten, breitest Ruh’
Über Garten mir und Feld.

Meine Seele auch, berührt
Sanft vom Wehn deiner Schwingen,
Deiner schmerzenstillenden Schwingen,
dämmert ein, o schließt sich endlich zu 
Aller Qual, –  von dir entrückt, entführt,
Du wundersamer Vogel du.


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Ausklang
Der Abend dehnt sich,
Die Wiese dehnt sich
Weit, weit, ohne Ende;
Tauschen beide
Ihren Frieden, ihre Freude – 
Ruhn alle Hände ...

Nur ich möchte die Wiese durchwandern,
Möchte den Abend durchwandern,
Ob ich dich wiederfände.


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Der Autor:

Hermann Klöß (*1880 in Mediasch, †1893 in Hermannstadt), 
war Redakteur, Lehrer und schließlich Pfarrer. 
Er studierte Theologie und Germanistik in Marburg, Klausenburg, Berlin ud Jena. 
Seine schöpferischen Schwerpunkte liegen auf den Gebieten der Lyrik:  „Unsere Liebe, In Liedern" (1913), und der Dramatik:  „Die Braut von Urwegen" (1914),  „Die Nachfolge Christi" (1917),  „Untergang" (1919), sowie „Totentanz", „Joseph der Träumer" und „ Frau Balk"


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Dokument: ../ge_mu/kloess.htm, erstellt am 16.05.98, Autor: Udo-Jürgen Weber, letzte Änderung am 15.04.03 von Dirk Beckesch