Die sächsischen Schulgründungen zur Unterweisung von Lehrlingen in der königlichen freien Stadt Kronstadt bis zu deren Auflösung nach dem Zweiten Weltkrieg


Um den geistesgeschichtlichen Hintergrund der Entwicklung des berufsbildenden Schulwesens verstehen zu können muß auf die besonderen Schwierigkeiten hingewiesen werden, die früher mit der Anerkennung der Berufsausbildung überhaupt verbunden waren. Dieses ist vor allem auf die im 19. Jahrhundert herrschende geistige Strömung des Neuhumanismus zurückzuführen, die die Entwicklung der berufsbildenden Schulen nicht nur in Siebenbürgen sondern überall hemmte und bis weit ins 20. Jahrhundert heineinreicht. Die Gegenüberstellung von Allgemein- und Berufsbildung, um nicht vom Gegensatz derselben zu sprechen, brachten es mit sich, daß fachlich ausgerichtete Lehrlingsschulen seinerzeit offiziell nicht als Bildungsanstalten galten, eine Einstellung, die sich auch auf die fachspezifische Entwicklung der Realschulen negativ auswirkte.

Hinsichtlich der Förderung von Interessen der Kronstädter Kaufleute und Gewerbetreibenden wurde 1811 das Kronstädter Deutsche Handelsgremium und 30 Jahre später der Kronstädter Sächsische Gewerbeverein gegründet. Diesen Gremien ist es zu verdanken, die Bedeutung des Berufsschulwesens erkannt und entsprechend gewürdigt zu haben. So konnten die nötigen Maßnahmen einer zeitgemäßen Ausbildung von Kaufleuten und Handwerkern durch die deutsche Handelssozietät und etwas später vom Gewerbeverein in die Wege geleitet werden, um den Bedürfnissen an fachlich gebildetem Nachwuchs in allen Bereichen zu entsprechen. Die Absolventen der Volks- und der unteren Mittelschulklassen, die sich für eine Lehre entschieden, konnten dadurch eine weitere schulmäßige Unterweisung erhalten.

Die ersten Ansätze zu einer theoretischen Berufsbildung der kaufmännischen Lehrlinge, im Rahmen eines Handelskurses, machte die Privilegierte Handelssozietät in Kronstadt schon 1832, also knapp zehn Jahre vor der Gründung einer regelrechten Schule. 1841 entstand diese dann mit dem Ziel der Vermittlung aller notwendigen Kenntnisse an den kaufmännischen Nachwuchs im Sinne eines regelmäßigen Schulunterrichts.

Lehrbrief der Firma J. L. & A. Heßheimer

Lehrbrief der Firma J. L. & A. Heßheimer aus dem Jahr 1860
Archiv der Siebenbürgischen Bibliothek, Gundelsheim/Neckar

Durch die unter der Obhut der "Privilegierten Bürgerlichen Handlungssocietät der königlichen freien Stadt Kronstadt in Siebenbürgen" neugegründeten Handelsschule, konnten sich die Lehrlinge dieses Wirtschaftszweiges - nicht nur aus Kronstadt - über ein Jahrhundert lang ein gediegenes Fachwissen aneignen.

Später, als zur Förderung des Gewerbes die deutschen Gewerbevereine in Siebenbürgen entstanden, (Hermannstadt 1840, Kronstadt 1841, Mediasch und Bistritz 1844, Schäßburg 1847) wurden für deren Lehrlinge die sogenannten Sonntagsschulen eingerichtet, wo sie im Lesen, Schreiben, Rechnen und Technologie, aber auch in vaterländischer Geschichte und Erdkunde unterwiesen wurden. 1843 wurde in Kronstadt eine solche Anstalt gegründet und zwei Jahre darauf sogar auch in verschiedenen Landgemeinden.

Die eigentlichen sächsischen Gewerbeschulen knüpfen an die Fortsetzung der also schon früher entstandenen Sonntagsschulen für Handwerkslehrlinge an und standen mit ähnlichen, schon vorher gegründeten Schulen für Kaufmannslehrlinge in einiger Verbindung. Knapp 20 Jahre nach ihrem Entstehen wurde die Tätigkeit dieser Sonntagsschule bedeutend verbessert um den damaligen Anforderungen des Gewerbestandes besser zu entsprechen. Schließlich erfolgte in Kronstadt 1872 ihre Umwandlung in eine Abend-Lehrlingsschule "nach dem Muster ähnlicher ausländischer Anstalten, vor allen Dingen solcher aus namhaften Städten Deutschlands." Sie begann ihre Tätigkeit als eine von der Kronstädter Stadtgemeinde finanzierte fünfklassige Gewerbelehrlingsschule, mit finanzieller Unterstütung seitens der sächsischen Nationsuniversität.

Um endlich auch die landwirtschaftliche Unterrichtsfrage zu lösen,stimmte nach längeren Verhandlungen die sächsische Nationsuniversität auch der Gründung eigenständiger Schulen für diesen wichtigen Wirtschaftsbereich auf Sachsenboden mit dem Sitz in Mediasch, Kronstadt und Bistritz zu. Im Herbst 1872 wurde die Kronstädter Ackerbauschule in den Biengärten feierlich eröffnet und am Ende des Schuljahres 1874/75, aus praktischen Gründen, nach Marienburg verlegt. Hier blieb sie bis zu ihrer Auflösung 1945, wobei sie, durch die theoretisch-praktische Unterweisung vieler Generationen von Ackerbauschülern die Gestaltung unserer Landwirtschaft weitgehend prägte.

Um die Jahrhundertwende unterhielt die ev. Kirchengemeinde in Kronstadt, neben dem Honterusgymnasium eine Unterreal- und eine Elementarschule für Jungen, außerdem eine Elementar- und Bürgerschule für Mädchen, mit denen ein Buchführungskurs, drei Handarbeitskurse und eine Kindergärtnerinnen-Bildungsanstalt verbunden waren. In Martinsberg, der Oberen Vorstadt und der Blumenau gab es außerdem je eine Elementarschule, in welcher Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet wurden. Die zentrale Leitung all dieser Anstalten lag in den Händen des Gymnasialdirektors. Obwohl organisatorisch weder die dreiklassige Handelsschule noch die fünfklassige Gewerbelehrlingsschule dem "evangelischen Gymnasium A.B. in Kronstadt und den damit verbundenen Lehranstalten" angehörten, waren sie in deren Räumlichkeiten u.zw. in den Gebäuden der Realschule und des Gymnasiums untergebracht. Die schulerhaltende Behörde der Handelslehrlingsschule war, nach der "Privilegierten Bürgerlichen Handlungs-Societät der königlichen freien Stadt Kronstadt in Siebenbürgen", der sie ihre Gründung 1841 verdankte, das 1874 daraus hervorgegangene Kronstädter Deutsche Handelsgremium.

Die aus der Sonntagsschule entstandene Gewerbelehrlingsschule übernahm der Kronstädter Stadtmagistrat 1872, mit materieller Unterstützung der sächsischen Nationsuniversität. Die Umgestaltung der Sonntagsschule erfolgte nach deutschem, vor allen Dingen württembergischen Muster. Zu dieser Zeit gab es in Kronstadt für die ungarischen und rumänischen Lehrlinge noch je eine Sonntagsschule, die der röm.- kath. bzw. grch.- orthodoxen Kirchengemeinde angehörten. Da diese Anstalten jedoch nicht von Bestand waren, schrieben sich viele nichtdeutsche Schüler in die deutsche städtische Gewerbeschule ein, umsomehr da sie dadurch die günstige Gelegenheit wahrnehmen konnten, sich neben einer gediegenen Fachbildung gleichzeitig auch deutsche Sprachkenntnisse anzueignen oder diese zu vertiefen. Der Zustrom nichtdeutscher Schüler nahm immer mehr zu und hielt sogar nach dem Ersten Weltkrieg an, bis dann auch in Kronstadt eine rumänische Staatsschule für Lehrlinge gegründet wurde.

Im Zusammenhang mit den berufsbezogenen Schulen wurde in den zuständigen Gremien natürlich auch oft über die Unterbringung der auswärtigen Lehrjungen verhandelt. Der schon Ende vorigen Jahrhunderts gefaßte Beschluß ein diesbezügliches Heim einzurichten konnte aus verschiedenen, größtenteils materiell bedingten Erwägungen erst 1913 verwirklicht werden. Die evang. Kirchengemeinde stellte zu diesem Zweck das erste Stockwerk des alten Realschulgebäudes zur Verfügung, wo im Herbst die ersten 14 gewerblichen und sechs kaufmännischen Zöglinge untergebracht wurden. Da jedoch die Räumlichkeiten des alten Schulgebäudes den ständig wachsenden Anforderungen nicht mehr gewachsen waren, wurde schließlich der Beschluß gefaßt anstelle des abgebrannten Schützenhauses unter der Zinne eine moderne Lehrlingsherberge zu bauen.

Lehrlingsherberge

Lehrlingsherberge

Die feierliche Einweihung des neuen Heimes erfolgte im Januar 1928. Hier sollten noch viele Schülergenerationen unserer Gewerbe- und Gremialhandelsschule bestens untergebracht werden bis auch diese sächsische Einrichtung Kronstadts den zeitgeschichtlich bedingten Veränderungen zum Opfer fiel.

Im Schuljahr 1931/32 kamen alle Lehrlingsschulen unter die Aufsicht des Arbeitsministeriums und es erfolgte das ausdrückliche Verbot andersnationale Schüler an den deutschen Lehrlingsschulen einzuschreiben. Zwei Jahre darauf wurde die deutsche städtische Gewerbeschule in eine konfessionelle Bildungsanstalt umgewandelt und von der innerstädtischen Kirchengemeinde übernommen. Nicht zuletzt auf Betreiben der Frauenvereine Kronstadts, wurde im nächsten Schuljahr als zusätzliche Bildungsanstalt der Kronstädter Honterusgemeinde die erste Gewerbelehrlingsschule für Mädchen gegründet. Sie löste die seit Mitte des vorigen Jahrhunderts in Kronstadt bestehende Arbeitsmädchenschule ab. Diese konnte den Anforderungen der damaligen Zeit und den lernbegierigen Schülerinnen, die einen regelrechten Frauenhandwerksberuf erlernen wollten, nicht mehr gerecht werden.

Schon seit längerer Zeit hatten sich die Schüler der sächsischen Berufsschulen, nicht nur aus Kronstadt, nach dem Vorbild der traditionellen evang. Gymnasien und anderer höheren Schulen ebenfalls in Coeten organisiert. Die Absolventen, im Sprachgebrauch dieser schulischen Vereinigungen "Alte Herren" genannt, hatten sich inzwischen zum Bund der Siebenbürgisch-Sächsischen Abendschul-Verbindungen (BSSAV) zusammengeschlossen. Ende der dreißiger Jahre entsprachen sie jedoch nicht mehr dem neuen Zeitgeist, und lösten sich deshalb auf. Wie bekannt, war nämlich in dieser Zeit das gesamte Leben der Siebenbürger Sachsen von den gewaltigen Veränderungen des politischen Umfeldes im Sinne des Nationalsozialismus beeinflußt, was sich natürlich in besonderem Maße auch in der Arbeit aller rumäniendeutschen Bildungsanstalten und nicht zuletzt der Kronstädter Lehrlingsschulen abzeichnete. Im Herbst 1940 erfolgte der verpflichtende Eintritt aller Jungen und Mädchen in die nach nationalsozialistischen Gesichtspunkten aufgebaute "Deutsche Jugend". Bereits 1936 war erstmalig ein Berufswettkampf der gewerblichen, bäuerlichen und der die höheren Schulen besuchenden Jugendlichen veranstaltet worden.

Nach der Anerkennung der "Deutschen Volksgruppe" in Rumänien als juristische Person, wurde in deren Hauptamt für Volkswirtschaft die Sachabteilung für Arbeitseinsatz , Berufsberatungs- und Ausbildungswesen gegründet. Diese übernahm sämtliche Berufsschulen und richtete die Lehr- und Stundenpläne nach dem Muster des Deutschen Reiches aus, wobei auch die dort verwendeten Lehrbücher zur Anwendung kamen.

Nachdem Rumänien am 23. August 1944 das Waffenbündnis mit Deutschland kündigte und bis Kriegsende aufseiten der Allierten kämpfte, war die evangelische Landeskirche die einzige sächsische Institution, die noch teilweise handlungsfähig geblieben war. Ihr ist es zu verdanken, daß die seinerzeit von der Deutschen Volksgruppe übernommenen Bildungsanstalten, die Lehrlingsschulen natürlich miteinbegriffen, mit stark dezimierten Klassen, behelfsmäßig und mit Verspätung das Schuljahr 1944/45 beginnen konnten. Die eigentliche offizielle staatliche Genehmigung dafür fehlte zwar, die formelle Legalisierung erfolgte erst ein Jahr später. Die Berufsschulen waren der Direktion für Arbeiter-Unterrichtswesen unterstellt.

Im Sommer 1948 wurden alle sogenannten privaten Bildungsanstalten, zu denen auch jene der evang. Landeskirche gehörten verstaatlicht und ihr Vermögen eingezogen. Damit wurde eine über Jahrhunderte gewachsene Schultradition vernichtet und die folgenschweren Veränderungen des gesamten sächsischen Unterrichtswesens herbeigeführt, das der Berufsschulen natürlich miteinbegriffen. Träger aller Bildungsanstalten wurde der Staat, sodaß die kommunistische Führung die Möglichkeit erhielt den gesamten Bereich des Unterrichts zu beeinflussen und der ideologische Druck sich ständig verstärkte. Sächsischer Schultradition und nicht zuletzt der zum Großteil sich bewährenden Lehrerschaft ist es zu verdanken, daß die Schulen mit deutscher Unterrichtssprache ihren eigentlichen Aufgaben auch in dieser außergewöhnlich existenzbedrohender Zeit doch noch verhältnismäßig gut nachkommen konnten.


Dipl. Hdl. Werner Kuchar, (Reutlingen)


Literatur:
100 Jahre Kronstädter Deutsche Gremialhandelsschule, Rudolf David, Buchdruckerei Johann Götts Sohn, Kronstadt, 1941
100 Jahre Heimat - und volksverbundene Gewerbevereinsarbeit in Kronstadt, Buchdruckerei G. Markus, Kronstadt 1941
Das sächsische Burzenland. - Zur Honterusfeier herausgegeben über Beschluß der Kronstädter evang. Bezirkskirchenversammlung A.B.-, Honterusdruckerei, Joh. Gött`s Sohn, Kronstadt 1898
Siebenundzwanzigster Bericht der evang. Stadtpfarrgemeinde A.B. in Kronstadt über die Jahre 1916-1930, veröffentlicht vom Presbyterium dieser Gemeinde. Buchdruckerei Johann Götts Sohn, 1930
Das berufsbildende Schulwesen der Siebenbürger Sachsen. Walter König, in: Zeitschrift für Siebenbürgische Landeskunde 17 (1994), Heft 1.
Scurta privire asupra invatamantului comercial din Transilvania inainte si dupa unire. Voina, Dumitru, Tipografia "Viata", Cluj 1924.


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Dokument: ../geschi/schule/berufsob.htm, erstellt am 19.04.97, Autor: Dirk Beckesch, letzte Änderung am 20.02.01