^ Hermannstaedter Zeitung: Nur weiße Westen im Kabinett?

HZ Nr.1503/ 6.12.96


Nur weiße Westen im Kabinett?

Letzte Postenverteilung in Parlament und Regierung / Ungarnverband regiert mit/ Minderheitenausschuß in der Hand der PDSR

Die ursprünglich für gestern (5. Dezember 1996) vorgesehene Bestätigung der neuen Regierung durch das Vertrauensvotum des Parlaments mußte auf den Anfang der nächsten Woche verschoben werden: Dank dem radikalen Machtwechsel mußten nicht nur die Regierung, sondern auch die Organisationsstrukturen des Parlaments völlig neu besetzt werden. Dazu kam verzögernd die Tatsache hinzu, daß die neue Macht nicht aus einer Partei (und etwaigen Satellitenparteien) sondern aus einem Parteienbündnis besteht, so daß nicht nur mit der Opposition, sondern auch mit den eigenen Bündnispartnern um die Besetzung einzelner Posten und die Zusammensetzung der verschiedenen Gremien verhandelt werden mußte.

Die Kabinettsliste steht in großen Zügen fest, obwohl auch in letzter Minute immer noch überraschende Veränderungen gemacht werden. Die Hermannstädter Tageszeitung "Rondul" veröffentlichte gestern zwei Änderungen der letzten Stunde: als Justizminister soll statt des ursprünglich genannten Mihai Ghiga (PNTCD) nun Corneliu Turianu eingesetzt werden (derselbe, der 1992 als damaliger Gerichtspräsident von Bukarest die Präsidentschaftskandidatur von Ion lliescu anzufechten gewagt hatte), und umbesetzt werden soll auch der Posten des Umweltministers, weil der von der Demokratischen Partei (PD) vorgeschlagene Bogdan Niculescu Duväz von Ciorbea als umstrittene Persönlichkeit abgelehnt wird (er war als ehemaliger Jugendminister im Roman-Kabinett in Korruptionsskandale verwickelt).

Der neue Premierminister Victor Ciorbea hatte von Anfang an angekündigt, daß er keine kompromittierten Persönlichkeiten oder solche mit angekratztem Image in seine Regierung aufnehmen werde. Mit diesem öffentlich gemachten Versprechen haben einige Zeitungen versucht, Ciorbea richtiggehend zu erpressen, auf den designierten Außenminister Adrian Severin zu verzichten. ïAdevärul" z.B. beschimpfte und hetzte gegen Severin, und das einzige, was sie Petre Romans Parteigenossen vorzuwerfen hatte, war seine Großzügigkeit gegenüber den Rechtsforderungen des Ungarnverbandes UDMR und sein internationales Engagement für die großzügige Auslegung der Minderheitenrechte in Rumänien. Severin ist trotzdem (zumindest bisher) nicht gekippt worden, und Ciorbea und das ihn stützende Parteienbündnis der Demokatischen Konvention (CDR) haben sich auch von dem hysterischen Geschrei der nationalistischen PUNR nicht beeinflussen lassen in ihrer Entscheidung, den Ungarnverband an der Regierung zu beteiligen.

So wird der neue Tourismusminister ein Ungar sein (Akos Birtalan), und es wird ein Regierungsdepartement für die Minderheiten geben, das ebenfalls von einem Ungarn dem Abgeordneten György Tokay - geleitet werden wird, weitere Vertreter der UDMR werden in der zweiten Linie (als Staatssekretäre) auch in anderen Ministerien eingesetzt werden, war aus verbandsinternen Quellen zu erfahren. Die UDMR hat auch den Vorsitz je eines ständigen Ausschusses in den beiden Kammern des Parlaments erfochten:

Seres Denes steht im Senat der Kommission für die Lokalverwaltung vor, und in der Abgeordnetenkammer wird Gyula Vida den für viele kommende Gesetze entscheidenden Ausschuß für die Wirtschaftsreform leiten. György Frunda, der Präsidentschaftskandidat der UDMR, begnügt sich mit einem Sekretärsposten im Rechtsausschuß des Senats.

Um weiche Posten hart gekämpft hat hingegen die Partei der Sozialen Demokratie (PDSR), die bisher regiert hat und nun auf der Oppositionsbank sitzt. So erstritt sich der Parteivorsitzende Adrian Nastase immerhin den stellvertretenden Vorsitz der Kammer, den die PDSR zwei Tagungsperioden lang innehaben wird. Der Menschenrechts- und Minderheitenausschuß der Kammer, den vorher der DFDR-Abgeordnete Wolfgang Wittstock geleitet hat, hat interessanterweise ebenfalls einen PDSR-Chef (Dan Martian).

Während die Parlamentarier ihre von den PDSR-Vorgängern geräumten (mitunter auch geplünderten) Büros im prunkvollen "Haus des Volkes" in Empfang nehmen (Adrian Nastase hatte als Kammerpräsident den Umzug in die gigantische Ceausescu-Residenz noch schnell vollzogen), führt Ciorbea zusammen mit seinem designierten Finanzminister Mircea Ciumara (PNTCD) bereits Verhandlungen mit dem Internationalen Währungsfonds IWF, um die für Rumänien dringenden Finanzspritzen locker zu machen.

Das den Gesprächen zugrundeliegende Dokument ist das Regierungsprogramm, das kurzfristige (sozial dringend notwendige) und längerfristige (wirtschaftlich erforderliche) Maßnahmen enthält und auf sieben Prinzipien aufgebaut ist (in dieser Reihenfolge): politische Verantwortlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, effiziente Zuweisung der Ressourcen, Rechtsgarantie für das Privateigentum, soziale Gerechtigkeit und Solidarität, Lokalautonomie und Dezentralisierung.

Annemarie WEBER



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Dokument: ../hz/1503_1.htm, Dirk Beckesch, letzte Änderung am 29.01.98