HZ Nr. 1523/16.05.1997

Die Gedächtnislücke des Herrn Sigerus

Die Schlacht von Hermannstadt Ende September 1916 und der Heldenfriedhof auf dem Grigoriberg

Das »Gemäuer«, nach dem wir in unserer letzten "Wo ist das?"-Rubrik fragten, steht auf dem Hammersdorfer Berg und ist den meisten Hermannstädter als »Monument« bekannt. Richtig geantwortet haben Anneliese Bonfert und Kitty Britt aus Hermannstadt, Gerlind Rita Braisch aus Berlin und Magda Sigerus aus Wien. Frau Sigerus erinnert sich, daß das Gemäuer "der würdige Mittelpunkt eines recht geschmackvoll gestalteten und auch entsprechend gepflegten Heldenfriedhofs war, in dem Gefallene des Ersten Weltkrieges bestattet worden waren. In den zwanziger und dreißiger Jahren habe ich mit meinen Eltern und guten Freunden, die auch ihre Sommerhäuser am Hammersdorfer Berg bewohnten, unzähligemale den Ausflug über das Büffelklavier hinauf auf den damals kahlen Bergrücken zum Soldatenfriedhof unternommen."

Die Beschreibung von Frau Sigerus wäre dahingehend zu ergänzen, daß in neuerer Zeit das Dorf Hammersdorf zum Vorort von Hermannstadt aufgerückt ist, und da die Vorstadtbewohner kaum noch Büffel halten, auch das "Büffelklavier" - ein stufenartiger, von den Hufen der Büffel ausgetretener Weg - in den letzten zwanzig Jahren verschwunden ist.

Doch wenden wir uns der ferneren Vergangenheit zu, als im Jahre 1880 der Siebenbürgische Karpatenverein (SKV) gegründet wurde, stellte er sich unter anderem auch die Aufgabe, Aussichtswarten einzurichten. Eine der ersten entstand auf dem Hammersdörfer Berg, von wo man einen schönen Blick auf Hermannstadt und die Zibinsebene hat, und sie stand vermutlich an der Stelle, wo sich jetzt das »Monument« erhebt. Den Berg nannten die Hermannstädter damals Grigoriberg - wahrscheinlich, weil sie hier das Grigorifest feierten, doch mit dem Fest ist mittlerweile auch der Name in Vergessenheit geraten. Am 2. Juli 1882 wurde die Einweihung der Warte vollzogen, und im SKV-Jahrbuch 1883 lesen wir:

"Daß die Sektion mit diesem Bau dem Publikum wirklich einen Dienst erwiesen hat, zeigten. die in den schönen August- und Septembertagen sehr zahlreichen Besuche aus allen Ständen und Altersklassen, (...)". Zumindest seither ist der Hammersdörfer Berg ein beliebtes Ausflugsziel der Hermannstädter.

Viele Jahre später bricht der Erste Weltkrieg aus. Am 27. August 1916 erklärt Rumänien den Mittelmächten den Krieg und rückt ins damals ungarische Siebenbürgen ein. In panischer Angst verlassen die Hermannstädter die Stadt. Von den 30.035 Einwohnern (Volkszählung von 1910) bleiben 9.615 Personen in Hermannstadt, mehr als zwei Drittel sind auf der Flucht.

Anfang September erreicht die 1. rumänische Armee die Zibinsebene und bezieht Stellung rings um Hermannstadt. Die rumänischen Truppen setzen das Elektrizitätswerk am Zoodt außer Betrieb, und nachdem sie den Jungen Wald erreicht haben, bemächtigen sie sich auch das dort gelegenen Wasserwerks. Der Bürgermeister beschließt mit den zurückgebliebenen Stadtbeamten und den Geistlichen verschiedener Konfessionen, die Stadt der rumänischen Armee zu übergeben, um sie vor Zerstörung und Plünderung zu verschonen. In der Umgebung von Hermannstadt kommt es zu schweren Kämpfen (bei Poplaca, Orlat und Saliste). Die Stadt wird oft beschossen, doch die rumänischen Truppen besetzen Hermannstadt nicht.

Am 22. September 1916 wird bekannt, daß die 9. deutsche Armee unter dem Kommando des Generals von Falkenhayn im Anzug ist, und schon einige Tage später, am 26. September beginnen die Kämpfe am Grigoriberg und auf den Höhen von Thalheim und Kastenholz. Einige Tage darauf, am 30. September 1916, sind die rumänischen Truppen vernichtend geschlagen.

Ein Jahr nach der Schlacht von Hermannstadt, am 25.September 1917, besucht der deutsche Kaiser Wilhelm II. die Stadt und wird im Kraftwagen auch zur Schlachtfeldbesichtigung auf die Thalheimer Höhe gefahren.

Im Jahre 1918 wird von der "deutschen Kriegsgräberabteilung" der Heldenfriedhof auf dem Hammersdorfer Berg errichtet, jedoch nicht fertiggestellt (so die von uns im Hermannstädter Staatsarchiv aufgespürten Aufzeichnungen im Dokumentenfonds Sächsische Kriegsgäberfürsorge). Im November 1918 wird vor den anrückenden Rumänen der Turm gesprengt (und 1922 auf Betreiben der Leiterin der sächsischen Kriegsgräberfürsorge, Auguste Schnell, wieder instandgesetzt). Auf dem Hammersdörfer Soldatenfriedhof befinden sich zu jener Zeit beidseits des Denkmalturmes 104 Gräber mit 126 Toten, und vor dem Turm, am Rande des Abhangs gegen Hermannstadt (man erkennt heute noch die terrassenförmige Anlage), 21 Offiziersgräber. Sie wurden nach dem Krieg mit militärischer Hilfe gepflegt.

Die sächsische Kriegsgräberfürsorge bestand seit 1918. Sie wurde von Auguste Schnell gegründet und hatte den Sitz in Hermannstadt bis zu ihrer Auflösung 1944. Sie kümmerte sich um 67 Soldatenfriedhöfe in Siebenbürgen, auf denen rund 20.000 Kriegstote - davon 4.000 Deutsche - bestattet sind. Für einen Teil dieser Friedhöfe (47> sorgte auch der Landesverband Bayern des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge.

1942 ordnete Deutschland die Auflösung sämtlicher Soldatenfriedhöfe und die Einrichtung einer zentralen Gedenkstätte, nämlich auf der Michelsberger Burg, an. Infolgedessen wurden 1942/43 die Gebeine der Weltkrieg -I- Toten exhumiert und die Friedhöfe von Talmesch, Heltau, Hammersdorf und der alte Militärfriedhof von Hermannstadt (in der Cristian-Gasse) aufgelöst; In die Basilika auf der Michelsberger Burg werden die Inschriftenplatten von den Grabsteinen verbracht.

Auf dem Hammersdörfer Berg bleibt nach einebnung der letzten Gräber das sogenannte "Monument" stehen. Doch das scheint nicht das eigentliche Denkmal gewesen zu sein, sondern war vielmehr nur der Sockel davon. Denn es gibt Leute, die gelesen und sogar (auf alten Fotos) gesehen haben wollen, daß sich auf dem Gemäuer ein Reichsadler befunden hat. Er dürfte nur im Jahre 1918 und nur einige Monate dort gestanden haben bis zur Sprengung des Turmes). Nachher soll er in die Hermannstädter Kadettenschule gebracht worden sein, von wo er eines Tages verschwunden ist.

Weil es das Kriegerdenkmal in dieser Form - riesiger Reichsadler auf haushohem Sockel - nur kurze Zeit gegeben hat, ist die Erinnerung daran völlig verlorengegangen, zumal sie auch schriftlich nicht fixiert wurde: Der sonst über die Maßen pingelige Stadtchronist Emil Sigerus, der in seiner "Chronik der Stadt Hermannstadt" (1930) keinen Sturm und keine Feuersbrunst ausläßt verliert kein Wort über Bau und Zerstörung des Monuments. Vergeßlichkeit, Selbstzensur oder was?!

Reinhold GUTT

Horst WEBER


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Dokument: ../hz/1523_4.htm, letzte Änderung 21.12.97, Autor: Michael Kothen