HZ Nr. 1552/05.12.1997

Wie wenn der kleine Jerry die Muskeln spielen läßt

Premierminister Victor Ciorbea hat ein Drittel seiner Minister ausgewechselt / Er werde keine Starallüren und Erklärungen auf eigene Faust mehr dulden, warnte er die neue Equipe 

Fast zwei Monate lang haben die Gerüchte um die Kabinettsumbildung zirkuliert - und die Tätigkeit in den betroffenen Ministerien blockiert. Dann, in nur zwei Tagen, stellte Premierminister Ciorbea alle bisherigen Prognosen und Vermutungen der Journalisten und die tatsächlichen Verhandlungsergebnisse zwischen den Regierungsparteien auf den Kopf und kündigte eine neue, wie er es selbst formulierte, ãüberraschendeÒ Liste vor.

Wer sind die Neuen? Andrei Marga (51, parteilos), der Rektor der Klausenburger Babes-Bolyai-Universität, ist der neue Bildungsminister (anstelle des stark angefochtenen Virgil Petrescu). Ilie Serbanescu (55, parteilos), der Wirtschaftsanalyst von Pro TV und 22, wird Reformminister, und Valentin Ionescu (36, PNTCD), zuletzt Berater von Präsident Constantinescu, wird Privatisierungsminister. Die beiden ersetzen Ulm Spineanu, dessen Reform- und Privatisierungsministerium nun in zwei Ministerien aufgespalten wird. Mircea Ciumara (54, PNTCD),der knauserige Finanzminister, wird Industrie- und Handelsminister anstelle von Calin Popescu-Tariceanu.

Die Leitung des Finanzministeriums wurde dem bisherigen leitenden Wirtschaftsfachmann der Nationalbank, Daniel Daianu (45, parteilos) anvertraut. Abgesetzt wurde auch der umstrittene Gesundheitsminister Stefan Dragulescu. Sein Nachfolger ist der bisherige Direktor des Bukarester Coltea - Spitals, Ion Victor Bruckner (53, Mitglied der Solidaritatea Universitara, der ursprünglich auch Emil Constantinescu angehörte und die Mitglied in der Demokratischen Konvention ist). Crin Antonescu (38, PNL) ist der neue Jugend- und Sportminister (anstelle von Mihai S. Stanescu), und Sorin Frunzaverde (37, PD) der neue Umweltminister (anstelle seines Parteikollegen Ioan Oltean).

Damit verzichteten die Koalitionsparteien auf den starren "Algorythmus", womit sie die Postenaufteilung nach dem Parteienproporz meinen. Der als radikal empfundene Schnitt wird von mehreren Bukarester Zeitungen Präsident Constantinescu zugeschrieben, der zuletzt mit drei Auftritten (vor TV-Journalisten anläßlich seiner einjährigen Präsidentschaftsbilanz, auf dem Kongreß der Bürgerallianz und am Nationalfeiertag in Alba Iulia) viel Kritik und wenig Lob geerntet hat. Constantinescu habe die politische Krise - so Adevarul - erkannt und auffangen wollen mit dem Einsatz von Top-Leuten in der Regierung.

Premierminister Victor Ciorbea, der in letzter Zeit einen starken Autoritätsverlust erlitt, demonstrierte bei der Ankündigung der neuen Namen am Dienstag dieser Woche Entschlossenheit. Er dulde keine Starallüren und kein Oppositionsgehabe von seiten der Minister, drohte er. "Das ist wie wenn der kleine Jerry in den Filmen von Walt Disney seine Muskeln spielen läßt" ,höhnte Dumitru Tinu, der Chefredakteur von Adevarul. Daß Ciorbea seine Leute besser im Griff haben werde und sich gegenüber den Parteichefs der Regierungskoalition hinfort eher werde durchsetzen könne, sei sehr zu bezweifeln, meinte Tinu.

Annemarie WEBER

 

 

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Dokument: ../hz/1552_1.htm, letzte Änderung 22.01.98, Autor: Michael Kothen