Umbruch und Aufbruch

Zur Situation der deutschsprachigen Medien in Rumänien


Die "Temeswarer Nachrichten" war das erste deutsche Wochenblatt des Banats, es erschien im Jahr 1771, als Temeswar noch die Haupstadt der Provinz Banat in der k.u.k. Monarchie war. Die Tradition deutscher Zeitungen wurde im Banat sowie in Siebenbürgen trotz der durchaus bewegten Geschichte jener Landstriche bis in unsere Tage fortgeführt. Im späteren Rumänien erschienen mehrere deutsche Tageszeitungen und Zeitschriften, etwa der Bukarester "Neue Weg" (mit einer Auflage von 70 000), die Temeswarer "Neue Banater Zeitung", die Kronstädter "Karpatenrundschau" oder die Bukarester "Neue Literatur".

Nach dem Einschnitt von 1989, aber vor allem infolge der Massenauswanderung der Leser und Redakteure, kam die deutsche Presse ins Schlingern. Um zu überleben, fusionierten die Tageszeitungen "Neuer Weg" und "Neue Banater Zeitung" (NBZ) mit der Zeitschrift "Karpatenrundschau" zur "Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien" (ADZ). Im Mantel der ADZ ist die "NBZ" zur Wochenbeilage verkümmert. Als einziges überregionales deutsches Tagesblatt liefert die ADZ jedoch seriöse Informationen über ganz Rumänien. Mit der rumänischen Wende hat auch sie ihr Gesicht geändert, nicht nur im Layout sondern vor allem inhaltlich: Wirtschaft und politische Aktualität werden großgeschrieben. Ihr Chefredakteur, Emmerich Reichrath, hofft, daß der Bedarf nach einer deutschsprachigen Zeitung in Rumänien noch lange anhalten wird; nicht nur weil die "deutsche Restminderheit" inzwischen stabil ist, er verspricht sich auch ein neues Lesepublikum: Unternehmer und Geschäftsleute, die in Rumänien tätig sind und lieber deutsch als rumänisch lesen. "Ob es auf die Dauer eine Tageszeitung bleiben kann", bezweifelt auch er. Die Auflage ist jetzt auf knappe 5 000 gesunken und davon kann man schwer überleben, selbst wenn man subventioniert wird. Ganz im Sinne marktwirtschaftlicher Strategien haben sich die Mitarbeiter der ADZ nunmehr als private Aktiengesellschaft organisiert. Ohne die Unterstützung des Departements für Minderheiten der rumänischen Regierung und ohne bundesdeutsche Hilfe könnte die Zeitung aber gar nicht mehr erscheinen. Sie trägt sich lediglich zu etwa 30 % aus Eigeneinnahmen und Werbung, so ihr Chefredakteur.

Wöchentlich kann die ADZ an bundesdeutschen Bahnhofskiosken erworben werden. Aufgrund der Anfragen könnte sie sich im deutschen Raum weit besser durchsetzen, unter der Voraussetzung, daß sie in einen bundesdeutschen Zeitungsvertrieb aufgenommen würde, sagt Emmerich Reichrath. Doch die Chancen, daß ein großer Zeitungsvertrieb sich für so ein kleines Blättchen interessiere, seien leider nicht gut bestellt.

Außerdem klappt ja der Verkauf im Inland auch nicht so richtig. An etlichen Kiosken, beispielsweise in Temeswar, gibt es die ADZ gar nicht zu kaufen und ein Abonnement ist für viele Rentner zu teuer.

Die "Hermannstädter Zeitung" hat im Unterschied zur "NBZ" die Flucht nach vorne gewagt und sich in die Selbständigkeit gerettet. Das regionale Wochenblatt erreicht eine Auflage von 2 000 Exemplaren; davon wird ca. 40% den Lesern ins Ausland nachgeschickt, so ihr Chefredakteur Horst Weber. Auch sie wird von der rumänischen Regierung subventioniert. Unterstützung kam auch seitens der Bundesregierung, die, so Generalkonsul Harald Gehrig, "ein Interesse hat, daß die deutsche Minderheit in Rumänien in ihrer Identität und Entität, so wie sie jetzt besteht, erhalten bleibt".

Während die deutsche Presselandschaft nach 1989 in Rumänien weitgehend verkümmerte, schossen Anfang der 90er Jahre etliche neue Regionalsender buchstäblich aus dem Boden. So entstand eine deutsche TV-Sendung in Temeswar und eine in Klausenburg, neben jener aus der Hauptstadt Bukarest, die weiterhin bestehen blieb.

Neu entstanden außerdem, neben dem Bukarester Rundfunk und dem im Inland fast unbekannte Programm: Romania Internal, ein Radioprogramm in Temeswar und eines in Neumarkt. Vor allem die Gründung der Neumarkter Sendung - politischer Entschluß oder Pikanterie? - hat nicht so sehr mit der dort spärlichen deutschen Minderheit zu tun, als mit einer "gewissen Empfindlichkeit der rumänischen Behörden den Minderheitenproblemen gegenüber", so Zorin Diaconescu, von Radio Klausenburg. Es bestand wohl ein ganz besonderes Interesse, daß die Minderheitenprogramme nicht nur ungarisch sein sollten. In Neumarkt ist die ungarische Minderheit heute größer als die deutsche. Trotzdem gibt es seit 1991 dort ein deutsches Programm und nicht etwa in Hermannstadt, dem eigentlichen siebenbürgisch-deutschen Kulturzentrum.

Abgesehen vom Eifer der zum Teil auch neugebackenen Journalisten der neuen TV- und Radiosender, war über die Hörer- und Zuschauerzahlen nichts Genaues zu erfahren. Aus triftigem Grunde: Das Geld für die entsprechenden Umfragen fehlt! Natürlich mangelt es auch sonst an Ecken und Enden, an Material und Personal. Die Technik ist oft veraltet, die Mitarbeiter werden schlecht bezahlt.

In Rumänien gehe man von einer deutschen Restminderheit von insgesamt höchstens 100 000 aus, behauptet Zorin Diaconescu, dies mache vielleicht 1% des Gesamtpublikums aus. Natürlich könne man da keine sehr vorteilhafte Sendezeit einräumen und auch nicht besonders großzügig mit den Mitteln für diese Programme sein. Seinerseits würde Zorin Diaconescu aber westliche Medien dazu aufrufen, ihre analoge Technik in Rumänien zu "entsorgen"; dort könne man sie nämlich noch ganz gut gebrauchen. Ein holländischer Sender ging bereits mit gutem Beispiel voran.

Was aber auffällt ist, daß die intermediale Kommunikation zwischen den diversen Sendern, auch den staatlichen, nur sehr zaghaft ist. Eine Tagung der Evangelischen Akademie im siebenbürgischen Michelsberg im September diesen Jahres, vereinte die Medienmacher an einem gemeinsamen Tisch. Dabei kam heraus, daß beispielsweise Programmaustausch zwischen den Rundfunksendern offenbar immer noch ein Fremdwort zu sein scheint. Und selbst die deutsche Presse erspart sich lieber Programmankündigungen der lokalen Kanäle und druckt lieber, was es Neues gibt auf Sat1 oder RTL. Schließlich wollen das unsere Leser so, argumentiert Emmerich Reichrath von der ADZ. Auf der herbstlichen Tagung tauchte aber die Idee auf, zumindest eine gemeinsame Produktionseinheit zu gründen. Hermannstadt wäre der gegeignete Ort dafür, so der Vorschlag von Zorin Diaconescu. Zudem bot der Generalkonsul Harald Gehrig an, die bundesdeutsche Botschaft als Forum für ein nächstes Journalistentreffen zu nutzen.

Den meisten Zuspruch hat wohl bis heute das Bukarester deutsche Fernsehen; Victor Chiri spricht von einer halben Million Zuschauer. Aber die Sendung richtet sich nicht speziell beziehungsweise nicht mehr an die deutsche Minderheit im Lande, sondern eher an ein rumänisches Publikum, das die deutschen Trachtenpaare und Kronenfeste so schön exotisch findet und sich andererseits kein Kabelprogramm leisten kann. Bei soviel Blasmusik kommt dann oft seriöse Information zu kurz, heißt es dann von kritischer rumäniendeutscher Zuschauerseite.

Wohin sich das Interesse deutscher Pressekonzerne richtet, zeigte sich jedenfalls im im September diesen Jahres, als die Nachricht durch die Medien ging, daß sich Gruner und Jahr mit 50 % am rumänischen Express-Trust beteiligt hat, der unter anderem eine auflagenstarke rumänische Tageszeitung herausgibt. Das beweist also, daß es zwar ganz vielfältige deutschsprachige Medien in Rumänien (immer noch- müßte man fast sagen) gibt, diese aber im Verhältnis zu den rumänischen Medien eher eine Randerscheinung sind.


Edith Ottschofski, Kulturpolitische Korrespondenz, Bonn 25.05.99



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Dokument: ../medien/umbruch.htm, 26.06.99, Autor: Dirk Beckesch, letzte Änderung am 23.04.00