Großscheuern

von Johann Grau

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 28. Oktober 1995)

Aus der Geschichte
Großscheuern, sächsisch Griußscheiern, lateinisch Magnum Horreum, ungarisch Nagycsür, rumänisch Sura Mare, gehört nach Ansicht der Geschichtsforscher zu den ältesten Gemeinden um Hermannstadt. Sie liegt 7 km nordöstlich von Hermannstadt, an der Landstraße, die nach Mediasch führt. In einer päpstlichen Steuerliste von 1337 wird der Ort erstmals als "Magnum Horreum" erwähnt. Die ungarische Bezeichnung "Nagycsür" ist seit 1445 nachweisbar; 1468 wurde erstmals die deutsche Benennung "Großschewren" verwendet, die später leicht abgewandelt wurde, um in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die heutige Form "Großscheuern" zu erhalten. In einer Urkunde von 1854 wird erstmals der rumänische Name "Sura Mare" erwähnt.

Die Kirche wird 1238 als dreischiffige, romanische Basilika mit Westturm gebaut. In den Türkenkriegen zerstört, wird die Kirche um 1500 zur Wehrkirche in gotischem Stil neu errichtet. 1497, 1740 und 1854 werden größere Renovierungs- und Umbauarbeiten durchgeführt, wobei 1854 Kirche und Turm das heutige Aussehen erhalten. 1979 wird unter tatkräftigem Einsatz des Pfarrers Hermann Kraus, eines gebürtigen Schäßburgers, das Gotteshaus einer letzten Generalrenovierung unterzogen.

Das Pfarrhaus soll ursprünglich ein Kloster gewesen sein und seine derzeitige Form in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhalten haben. Pfarrer Christian wird 1349 Dechant des Hermannstädter Kapitels, was die Zugehörigkeit Großscheuerns zu diesem Kapitel belegt. 1359 nimmt der Kirchenvater (vitricus ecclesiae) von Großscheuern an einer Gerichtsversammlung der Hermannstädter Provinz teil, ein Nachweis dafür, daß es dieses Amt schon in vorreformatorischer Zeit gab.

Die Gemeinde wird mehrmals niedergebrannt und verwüstet: 1529 von moldauischen Truppen, 1600 von Michael dem Tapferen, 1704-1710 von den Kurutzen, die aufs grausamste im Ort hausen. Aber schon 1720-21 haben sich die Dorfbewohner von den Kriegswirren so erholt, daß sie die größten Steuerträger des Hermannstädter Stuhls sind. Zu dieser Zeit gibt es in Großscheuern bereits große Steinhäser mit breiten Hofstellen.

Schulkinder werden bereits 1512 in Großscheuern erwähnt. 1724 und 1748 werden Reparaturkkosten für das Schulgebäude vermerkt. Da im alten Schulgebäude die wachsende Kinderzahl nicht mehr untergebracht werden kann, wird 1863 eine neue Schule für 8400 Gulden gebaut. Doch auch dies Schulgebäude wird zu klein: Ende der dreißiger Jahre wird ein größerer und moderner Schulbau geplant, Baumaterialien werden bereits angeschafft. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und seine Folgen vereiteln jedoch das Bauvorhaben.

Ein 400jähriger Hattertstreit zwischen Großscheuern und Stolzenburg wird 1778 zugunsten der Großscheuerner entschieden, wonach diesen die Wiesen "of dem Wuasen (Wasen) uch die Broit Wiesen (Breite Wiesen)" endgültig zugesprochen werden. 1824 muß die Gemeinde einen Teil ihrer Waldungen "Em Braunesch" (Branisch) an Hermannstadt abtreten. 1849 befindet sich General Bem mit einer Truppenabteilung zu Gast bei Pfarrer Andreas Dengler in Großscheuern.

1905 wird ein großer und moderner Gemeindesaal seiner Bestimmung übergeben; 1907 wird die Gemeinde ans elektrische Stromnetz angeschlossen.

Während des Ersten Weltkrieges, im Oktober 1916, finden auf Großscheuernem Hattert "em Milegraungd" (im Mühlengrund) kleine Kampfgeplänkel zwischen österreichischen und rumänischen Patrouillen statt. Der Großteil der Dorfbewohner flieht nach Hahnbach, Stolzenburg und Reußen. Es fallen in diesem Krieg 48 sächsische Männer und Burschen aus Großscheuern.

Im Zweiten Weltkrieg, am 7. und 9. September 1944, wird das Dorf mehrfach von vier Kampfflugzeugen der deutschen Luftwaffe bombardiert. Die Angriffe gelten den durchziehenden russischen Truppen. Es entsteht dabei großer materieller Schaden: 4 Häuser werden zerbombt, 27 Scheunen und 7 Großviehställe brennen ab; 4 Tote und 3 Verwundete hat die deutsche Bevölkerung zu beklagen. Die Dorfbewohner flüchten und kehren nach zwei-drei Wochen wieder in ihre verwüsteten und ausgeplünderten Häuser zurück. Vom Herbst 1944 bis März 1945 sind in Großscheuern verschiedene russische Militäreinheiten und ein Pferdefeldspital untergebracht. Eine Besonderheit der Einquartierungen sind die aus rumänischer Gefangenschaft entlassenen Sowjetsoldaten, die in Großscheuern gesundheitlich und politisch überprüft werden, um dann an die nahe Front oder in Straflager verschickt zu werden. Ihre genaue Zahl ist nicht bekannt, geht jedoch in die Tausende: auf jedem sächsischen Hof waren an die hundert Mann einquartiert. Die abgemagerten und verwahrlosten Soldaten (die Dorfleute nannten sie "Zoderlumpen") zerstörten große Teile des Pfarr-, Schul- und Notenarchivs sowie der Schulbücherei, indem sie wertvolle Unterlagen zum Feuermachen verwendeten.

Am 13. Januar 1945 und den folgenden Tagen wurden 223 Männer und Frauen in die Sowjetunion deportiert, von denen 21 Männer und ein Mädchen in der Verschleppung starben. Am Ende des Zweiten Weltkriegs hatten die Sachsen in Großscheuern 105 Kriegsopfer zu beklagen. Nach der Bodenenteignung durch das Dekret vom 23. März 1945 und durch die spätere Kollektivierung fanden die meisten Großscheuerner Sachsen einen Arbeitsplatz im nahegelegenen Hermannstadt, in der Industrie, im Baugewerbe u.a. Bereichen. Die Bauern werden allmählich proletarisiert.

Im Herbst 1946 und Frühjahr 1947 bleibt auch Großscheuern nicht von der Kolonisationswelle verschont: Rumänen aus den umliegenden Gebirgsdörfern Rasinari, Poplaca, Gura Riului u.a. erhalten sächsischen Grund, Höfe und das Inventar einer ganzen Bauernwirtschaft. Sächsische Familien von der Hauptstraße und größere Gehöften werden einfach von ihrem Haus und Hof vertrieben. Vorteile haben hingegen 1955 die Asphaltstraße durchs Dorf und ab Mai 1956 die Einführung von Methangas (durch die besonderen Bemühungen der Sachsen Johann Gabel 253, Michael Adem 480 u.a.) gebracht.

Persönlichkeiten: Aus einer bedeutenden Gräfenfamilie Großscheuerns stammend, ist Goblinus der einzige Siebenbürger Sachse, der den katholischen Bischofsstuhl zu Weißenburg (Karlsburg) von 1376-1386 bekleidet hat. Hieronymus Ostermayer (um 1500 in Großscheuern geboren) ist seit 1530 Organist in Kronstadt, wo er auch eine erwähnenswerte Chronik schreibt. Aus Großscheuern stammt auch Johann Haupt, ein armer Bauernsohn, der es durch seine Tüchtigkeit zum höchsten Amt der sächsischen Nation bringt: 1670-75 ist er Stuhlrichter in Hermannstadt, 1678-85 Bürgermeister und 1685-86 Königsrichter (Sachsengraf, Sachsenkomes).

Bevölkerungsstatistik:

Nationalität 1880 1930 1939
Deutsche 981 1492 1718
Rumänen 573 703 843
Zigeuner 111 138 ---
Ungarn 3 10 ---
Sonstige 22 --- ---
Gesamt 1690 2343 2561

Die sächsische Bevölkerung in Großscheuern beträgt 1945: 1200 Seelen, 1964: 1537, 1989 sind es 700, 1990 nur noch 180, 1993 noch 44 und 1994 noch 40 Landsleute.

Die sächsische Bevölkerung hat Ackerbau, Viehzucht und für den Eigenbedarf Weinbau betrieben. Die Stadtnähe (7 km zu Hermannstadt) begünstigte auch die Milchwirtschaft.

HOG Großscheuern
Die traditionelle siebenbürgisch-sächsische Lebensweise veranlaßt auch Großscheuerner, die durch Krieg und Deportation nach Deutschland kommen, die Gemeinschaft miteinander zu suchen. Verdienstvoll ist die Tätigkeit der leider zu früh verstorbenen Landsleute Thomas Stock, Hans Rill und Georg Grau. Sie organisieren unter den ersten siebenbürgisch-sächsischen Gemeinden vom 3. bis 5. Mai 1974 ein Großscheuerner Treffen in Fulda. Am 11.-12. Juni 1993 beteiligen sich 650 Landsleute am 12. Treffen dieser Art.

Die in der zweiten Hälfte der 70er Jahre beschleunigte Auswanderungswelle und der Massenexodus nach 1989 führen dazu, daß etwa 1500 Großscheuerner heute verstreut in Deutschland, Österreich, den USA, in Kanada und Australien leben. Größere Gruppen haben sich in Ingolstadt (etwa 600), Rüsselsheim-Bauschheim (ca. 300), Stuttgart-Göppingen, Kulmbach, Kempten, Hannover u.a. Orten niedergelassen.

Im Mai 1983 schließen sich unsere Landsleute in Frankfurt unter Hans Drohtler, Kathi-Johann Müller, Johann Grau zu einem eingetragenen Verein zusammen, im Juni 1992 tun es ihnen die Großscheuerner in Ingolstadt nach (Stefan Gross, Michael Gräf, Lukas Gross, Michael Müller, Gerhard May, Johann Grau). Beim 12. Treffen wird 1993 ein Gesamtvorstand der HOG Großscheuern, bestehend aus sieben Mitgliedern, gewählt, der allgemeine Anliegen der Heimatortsgemeinschaft (HOG) koordiniert. Auch an der Kulturarbeit im Rahmen der Landsmannschaft und deren Kreisgruppen sind die Großscheuerner aktiv beteiligt, obwohl die Zusammenarbeit, etwa mit der Kreisgruppe Ingolstadt, nicht immer den gewünschten Erfolg zeigt.

Bei gleich zwei Münchner Oktoberfesten sind die Großscheuerner Trachtenträger erfolgreich aufmarschiert: 1989 mit 65 Personen, 1994 mit 122 Landsleuten.

Im Mai 1990 ist es unter Leitung des bewährten Dirigenten Hans-Paul Fuss gelungen, eine Blaskapelle von 16 Bläsern in Ingolstadt auf die Beine zu stellen. Die Mitglieder, die alle schon in Großscheuern zur Blasmusik gehörten, führen die Trachtengruppe der HOG Großscheuern gewöhnlich beim Heimattag in Dinkelsbühl an.



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Dokument: ../orte/grossscheuern/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 03.08.98 Dirk Beckesch