Heltau

von Erich Wanek

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15.November 1996)

Geschichtliches
Ortsname: deutsch Heltau, rumänisch Cisnadie, ungarisch Nagydisznod, sächsisch; Hielt. Heltau liegt zehn Kilometer südöstlich von Hermannstadt entfernt, im Tal des Silberbachs und des Bärenbaches, am Fuße des Götzenberges, mitten in Obstgärten gebettet. Die Historiker gehen davon aus, daß auf dem Gebiet des heutigen Heltau um das Jahr 1150 die Ortschaft Ruetel entstand, die jedoch infolge eines der Mongolenstürme untergegangen sei. Nahe des alten Ruetel wurde dann offenbar der Grundstein Heltaus gelegt, das 1323 erstmals urkundlich erwähnt wird. Etwa um 1300 wurde die steinerne Kreuzkirche im romanischen Stil erbaut und der Heiligen Walpurga geweiht. 1425 erhielt Heltau die erste Turmuhr Siebenbürgens. Die Kirche ist von zwei Ringmauern umgeben, wobei der innere Ring die Vorratskammern barg.

Infolge ständiger Hattertstreitigkeiten zwischen Hermannstadt, Schellenberg und Michelsberg sind wichtige Daten auch in bezug auf die Geschichte Heltaus im 13. und 14. Jahrhundert erhalten geblieben. Die Zeit vom 15. bis 17. Jahrhundert ist geprägt von zahllosen Türkeneinfällen, aber auch Überfällen durch rumänische Fürsten, die große Verwüstungen verursachten. Nach der Vertreibung der Türken hoffte man auf ruhigere Zeiten, aber Heltau wurde Anfang des 18. Jahrhunderts durch die Kurutzenaufstände schwer heimgesucht; zudem brach die Pest wiederholt aus und forderte viele Opfer. 1660 gab es 411 Tote.

1734 siedelten sich etwa 125 Landler in Heltau an.

Nach mehreren Blitzeinschlägen in Kirche und Turm wurde 1797 der erste Blitzableiter Siebenbürgens auf die Heltauer Kirchturmspitze montiert.

Eine finanzielle Hilfe in schweren Zeiten war für die Heltauer der Kirchenschatz, der als wohlgehütetes Geheimnis von Kirchenvater zu Kirchenvater weitergereicht wurde. Was davon übrig blieb, befindet sich heute im Brukenthalmuseum in Hermannstadt.

Im zwanzigsten Jahrhundert prägten die beiden Weltkriege die Geschichte auch von Heltau. Im Ersten Weltkrieg zogen 300 Heltauer an die Front, 66 davon kamen nicht wieder. Nachdem Siebenbürgen 1918 an Rumänien gefallen war, verloren die Heltauer durch die Agrarreform einen Großteil ihres Grundbesitzes: von 17000 blieben noch 5000 Joch übrig. Verstaatlicht wurden desgleichen Eisenbahn und Webeschule.

Im Zweiten Weltkrieg wurden ca. 500 Heltauer als Soldaten einberufen. 143 blieben auf den Schlachtfeldern. 1945 wurden 870 Heltauer Frauen und Männer zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt, 35 davon starben. Die Mehrheit der Überlebenden wurde 1949 nach Heltau entlassen, ein Teil jedoch war in den Jahren zuvor nach Deutschland gebracht worden. Nach dem Krieg wurden durch die Kommunisten der gesamte Grundbesitz und eine große Zahl der sächsischen Häuser in Heltau samt Inventar enteignet.

Bereits in den fünfziger Jahren setzte die Aussiedlung nach Deutschland ein, und zwar in Form der Zusammenführung von Familien, deren Männer nach dem Zweiten Weltkrieg oder infolge der Deportation nach Deutschland verschlagen worden waren. In den darauffolgenden Jahren setzte sich dieser Trend fort und erreichte seinen Höhepunkt nach der Revolution von Dezember 1989.

Vereinsleben und Nachbarschaften
Die zahlreichen Vereine in Heltau wie Gewerbeverein, Landwirtschaftsverein, Turnverein, Frauenverein, Jagdverein, Konsumverein, Freiwillige Feuerwehr hatten einen besonderen Stellenwert im Kulturleben der Ortes. Wichtige Kulturträger waren auch die 1847 gegründete Liedertafel und das Orchester. Auf sozialem Gebiet spielten die Nachbarschaften eine bedeutende Rolle.

Bevölkerungszahl
Aus Steuerrechnungen des Jahres 1468 geht hervor, daß in Heltau 221 Häuser waren, was auf eine Bevölkerungszahl von 900 bis 1000 Seelen schließen läßt. Bis 1700 gab es ausschließlich deutsche Einwohner in Heltau. Im Verlauf der Zeit wuchs die Bevölkerungszahl stetig an: 1763 waren es 1400 Seelen, 1882 schon 2864 evangelische Einwohner. 1910 betrug die Gesamtbevölkerung Heltaus 3064 Einwohner, davon 2188 evangelischer Konfession; 1930 waren es 3469 Einwohner, davon 2528 evangelische Seelen. 1946 wurde Heltau zur Stadt erklärt. 1976 betrug die Einwohnerzahl 17800, wobei die evangelische Kirche 4000 Seelen zählte. Durch die massive Aussiedlung der deutschen Bevölkerung schrumpfte die Anzahl der Evangelischen in Heltau beträchtlich, so daß es 1992 noch 755 Seelen und 1994 lediglich 514 Seelen bei einer Stadtbevölkerung von insgesamt 21200 Einwohnern gab.

Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft
In Heltau eintwickelte sich zunächst die Sichelschmiede in besonderem Maße. Der dafür notwendige Rohstoff, das Erz, wurde in Zoodt mittels Hämmern zerkleinert, die mit Wasserkraft betrieben wurden. In diesen Anlagen, die der Eisengewinnung dienten, wurde später das Heltauer Tuch gewalkt.

Im Jahre 1500, anläßlich eines Besuches von König Wladislaus II., erhielt Heltau das Jahrmarktrecht.

Das für Heltau spezifische Wollweberhandwerk entwickelte sich parallel zum Sichelschmiedehandwerk, überflügelte es aber: 1798 verstarb der letzte Heltauer Sichelschmied. Aus dem Jahre 1513 stammt die Satzung der Wollweberzunft und damit ihre erste urkundliche Erwähnung.

Das Heltauer Tuch fand auch im Ausland Absatz, was zur Produktionssteigerung führte. 1634 wurden 8320 Tuch erzeugt, 1720 waren es 12000 und 1900 sogar 90000 Stück Tuch. Die Maße eines Tuches betrugen 34 x 1 1/8 Ellen (1 Elle =60-80cm). 1872 wurde die Wollweberzunft aufgelöst und eine Wollwebergenossenschaft gegründet. Eine Weberfachschule gab es seit 1888, von 1923 an in staatlicher Trägerschaft. Auch in Heltau führte die industrielle Revolution dazu, daß die Textilindustrie den Schritt von der häuslichen zur industriellen Produktion vollzog. Die Tuchherstellung ging zurück, dafür wurden vermehrt Stoffe, Decken, Teppiche und Seidengewebe produziert. Eine Baumwoll- und Kammgarnspinnerei wurde gegründet. 1944 gab es in Heltau 176 größere und kleinere Textilbetriebe mit insgesamt 36850 Spindeln und 503 Webstühlen. Am 11. Juni 1948 wurden sämtliche Betriebe entschädigungslos enteignet, viele Heltauer als sogenannte Ausbeuter evakuiert, zu Zwangsarbeit eingezogen oder in Gefängnisse geworfen.

Nach 1948 wurden sämtliche Heltauer Betriebe unter einheitlicher Führung zusammengefaßt und die Produktion von Textilien fortgesetzt. Einigen Heltauern gelang es schließlich, sich in den Jahren der kommunistischen Diktatur in Produktionsgenossenschaften zusammenschließen: Sie arbeiteten hauptsächlich zu Hause und produzierten Teppiche sowie andere Textilerzeugnisse.

Das Schulwesen
Der Nachweis zahlreicher Heltauer Studenten an europäischen Hochschulen läßt darauf schließen, daß bereits im 13. Jahrhundert eine Schule in Heltau existiert hat. 1766 wurde eine neue Schule gebaut. Weitere Schulgründungen gehen auf die Jahre 1821 - eine Knabenschule - und 1847 - eine Mädchenschule - zurück.

Eine kleinere Schulbibliothek stand schon ab 1797 zur Verfügung, 1870 wurde eine größere Schulbibliothek gegründet.

Als Bischof Georg Daniel Teutsch 1875 das heutige Schulgebäude einweihte, wurde der alte Bau zur Lehrerwohnung umfunktioniert. Dem neuen Gebäude wurden 1938 einige Klassenräume und ein großer Festsaal hinzugefügt.

Seit 1885 gibt es einen Kindergarten, ursprünglich unter der Bezeichnung Kinderbewahranstalt. 1930 wurde eine Gewerbelehrlingsschule gegründet, 1955 erstmals ein Gymnasium in Heltau zugelassen.

Die Heimatortsgemeinschaft
Für die in Deutschland lebenden Heltauer war das "Weiße Roß" in Dinkelsbühl bereits in den fünfziger Jahren ein regelmäßiger und beliebter Treffpunkt. Die Initiatoren der Zusammenkünfte waren Hermine Sill und Peter Handel. 1977 wurde die Heimatortsgemeinschaft (HOG) Heltau von Georg Paulini und anderen Heltauern ins Leben gerufen. Erste Priorität hatte am Anfang die Unterstützung der in Heltau lebenden Landsleute. Es wurden in der Hauptsache Lebensmittel verschickt, bis 1989 oft unter stark erschwerten Bedingungen. Der Kirche stellte die HOG ein elektrisches Läutwerk zur Verfügung. Seit 1990 leistet das Diakonische Werk Mönchengladbach unter Beteiligung der HOG Heltau weitere Hilfen, vor allem in Form von Lebensmittel-, Kleider-, Waschmittel- und Medikamentensendung. Große Verdienste haben sich hierbei Rose und Georg Paulini erworben.

Infolge der massiven Aussiedlung nach 1990 stellt sich immer deutlicher die Frage, ob nicht auch in Deutschland lebende Heltauer Unterstützung benötigen. Bis heute war dies dank der deutschen Gesetzeslage selten erforderlich. Da die HOG den siebenbürgischen Einrichtungen in Gundelsheim, d.h. dem Altenpflegeheim, dem Siebenbürgen-Institut mit Bibliothek sowie dem Museum große Bedeutung beimißt, ließ sie ihnen verschiedene Spenden zukommen. Angeregte Diskussionen fanden sowohl in Heltau als auch in Deutschland zur Frage der Renovierungsarbeiten im Inneren der Heltauer Kirche statt, doch führten sie leider zu keinem Ergebnis.

Im Mai 1985 ließ die HOG Heltau das "Heltauer Nachrichtenblatt" aus der Zwischenkriegszeit neu aufleben. Der erste Redakteur, Richard Paulini, trat die Redaktion 1989 an Gerhard Auner ab. "Die kleine Zeitung der Heltauer in aller Welt" erscheint dreimal jährlich in einer Auflage von 2000 Exemplaren und wird auch den in Heltau verbliebenen Landsleuten zugeschickt. Es ist die auflagenstärkste Publikation der siebenbürgischen HOGs in Deutschland.

Die HOG Heltau organisiert folgende Treffen:

Beim ersten Mal, 1989 in Heilbronn, nahmen 1100 Personen, 1993 in Bessenbach 1500 Personen teil. Von 1977 bis 1991 war Georg Paulini Erster Sprecher der HOG Heltau, sein Nachfolger ist Erich Wanek. Die Arbeitsgruppe der HOG Heltau besteht derzeit aus 32 Mitgliedern, tagt zweimal im Jahr und faßt sämtliche Beschlüsse betreffend die Arbeit der Heimatortsgemeinschaft. Weitere Informationen: Erich Wanek, Im Kreuzgrund 4, 74080 Heilbronn.

Quellenangaben:



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Dokument: ../orte/heltau/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 23.07.98 Dirk Beckesch