Henndorf

von Michael Glatz

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 30.September 1996)

Henndorf, ein langgestrecktes Straßendorf, liegt am oberen Lauf des Harbachs in einem nördlichen Seitental, etwa 480 m über dem Meeresspiegel, in gleicher Entfernung (20 km) zu den Städten Agnetheln, Schäßburg und Fogarasch. In Urkunden wird erstmals im Jahre 1297 eine "terra Heen" erwähnt. Die Schreibweise des Ortsnamens änderte sich im Laufe der Jahrhunderte: 1349 - "Hegun", 1350 - "villa Henndorff", 1353 - "Hegny", 1385 - "Hegen", 1476 - "Heghen", 1504 - "Heendorff", 1886 - "Henndorf". Der Ortsname ist vom althochdeutschen "Hagino"abgeleitet worden.

Henndorf entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts und hatte knapp 100 Bewohner. In den folgenden Jahren wuchs die Bevölkerungszahl stark an, so daß 1300 mit dem Bau einer steinernen Kirche und der dazugehörigen Wehranlage begonnen wurde. Mitte des 14. Jahrhundert wurde der Bau abgeschlossen. 1350 erhält die Andreaskirche von "Henndorff" einen Ablaß zum Zwecke ihrer Ausstattung. Es ist dies die äteste erhaltene Urkunde mit der deutschen Form des Ortsnamens. Um 1410 und 1466 wurden der Kirche weitere Indulgenzien für Herstellungen erteilt, was darauf hinweist, daß sie offenbar ein Wallfahrtsort war, der Leute aus dem Kokeltal, Altland und dem Harbachtal anzog.

Die Bevölkerungszahl der bereits 1427 zum Markt erhobenen Gemeinde ging von 500 Einwohnern im Jahre 1350 auf weniger als 300 im Jahre 1488 zurück. Obwohl die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dadurch gesunken war, entschloß man sich um 1475 zu einem Neubau der Kirchenburg. Ablässe von 1476, 1483 und 1497 deuten die Dauer, aber auch den Umfang der Arbeiten an.

Infolge von Schlammablagerungen stieg das Bodenniveau in Henndorf seit 1500 um rund drei Meter, was belegt, daß die Kirchenburg und das Dorf durch Überschwemmungen und Versumpfungen viel zu leiden hatten. Aus diesem Grund bauten die Henndorfer ihre Häuser stöckig. Zuerst wurde das Erdgeschoß bewohnt, bis dieses durch Anschwemmung unter die Erde geriet. Dann verlegte man den Wohnraum in den ersten Stock, und das Erdgeschoß wurde fortan als Keller verwendet. Hochsumpfzeiten sind in der Ortschronik mehrfach verzeichnet: 1777 und 1805 drangen die Wasserfluten sogar in den Kirchraum ein; starke Regenzeiten gab es auch in den Jahren 1830-1850. Der Kirchenhügel verschwand 1854 infolge fortdauernder Überschwemmungen und Schlammablagerungen. Die Bewohner einer ganzen Gasse im südlichen Ortsteil mußten ihre Häuser und Höfe aufgeben, dafür wurde neues Baugebiet am Schulberg erschlossen. In der Nachkriegszeit ist diese Siedlung ebenfalls aufgegeben worden; heute steht dort nur noch das Haus der Familie Wellmann.

Ähnliche Versumpfungen hatten auch das alte Schulgebäude neben der Kirche betroffen, so daß sich die Henndorfer 1879 entschlossen, die heutige Schule an der Anhöhe im Predigergarten zu errichten. Das Bestehen einer Schule in Henndorf wird bereits 1476 urkundlich erwähnt; 1471, 1472 und 1512 wurden Henndorfer Studenten an der Wiener Universität immatrikuliert.

In den Jahren 1503, 1539 und 1566 brannte das Dorf ab. Diese und ähnliche Heimsuchungen haben viele Quellen zur älteren Ortsgeschichte vernichtet. Der erste namentlich bekannte Gräf des Ortes war Nicolaus de "Hegny" (1353) oder "Henndorf" (1369), ein Schwiegersohn des Gräfen Johannes von Arkeden.

1426 wird urkundlich erwähnt, daß Henndorf eine freie Gemeinde des Königsboden ist. Henndorf und Neithausen waren seit dem 14. Jahrhundert die südlichsten Gemeinden des Schäßburger Stuhles. Eine Volkszählung von 1488 führt in "Henndorff" 59 Wirte, 4 Hirten und eine Schule an, womit die Gemeinde an zehnter Stelle im Schäßburger Stuhl stand. Von 53 Wirten im Jahre 1532 wuchs die Gemeinde im Laufe des 16. Jahrhunderts auf mehr als das Dreifache an: 185 Wirte, was einen Höhepunkt in ihrer Entwicklung bedeutete; sie wurde dadurch zur viertgrößten Gemeinde des Stuhles. 1711 werden in einer Volkszählung 12 rumänische Familien angeführt, die im Dorf den Hirtendienst verrichteten.

1913 wurde in Henndorf ein kirchliches Landwaisenhaus im ehemaligen Gendarmeriegebäude eingerichtet. Noch im selben Jahr wurden darin 15 Waisenkinder untergebracht.

Chroniken berichten 1920 von 539 evangelischen Seelen, 522 Rumänen und Zigeunern sowie 19 Ungarn, insgesamt 1020 Seelen in 268 Häusern.

Der Haupterwerb der Henndorfer waren Landwirtschaft und Viehzucht. 1880 umfaßte das Henndorfer Areal 62392 Joch Boden, in 18 436 Parzellen aufgesplittert. Die Henndorfer Handwerkerzunft war auch über die Landesgrenzen hinaus bekannt, vor allem das Tischlerhandwerk. Das bezeugen auch die schönen Kircheneinbauten und die gotischen Truhen auf dem Dachboden der Henndorfer Kirchenburg.

Durch die Lage am Heerweg von Schäßburg nach Fogarasch war der Ort in Kriegszeiten immer wieder Brand- und Plünderungsgefahren ausgesetzt. Aber auch in Friedenszeiten mußte die Gemeinde durchziehenden Soldatenheeren Unterkunft und, für den Transport schwerer Kanonen, Pferde zur Verfügung stellen.

Aus geschichtlichen Quellen geht hervor, daß die Dorfbewohner immer wieder von Überfällen, Brandschatzungen, Plünderungen, Überschwemmungen, Versumpfungen, Dürreperioden, Heuschreckenplagen und Pestepidemien heimgesucht wurden; nicht zuletzt bedrohten sie die Magyarisierung und danach die Romanisierung. Es folgte die Totalenteignung der Sachsen nach dem II. Weltkrieg. Aus Henndorf wurden 62 junge Frauen und Männer in die Sowjetunion deportiert, davon starben acht in den Arbeitslagern. 60 Männer hatten am Krieg teilgenommen, 24 davon fielen.

Die zahlreichen Demütigungen der Sachsen im Alltag, aber auch das miserable Wirtschaftssystem des kommunistischen Regimes machten das Leben der deutschen Ortsbewohner zunehmend unerträglich. So entschlossen sich bereits in den sechzger Jahren die ersten Henndorfer, nach Deutschland zu kommen. Nach dem Sturz Ceausescus begann die Massenauswanderung in die Urheimat. Heute leben in Henndorf bloß noch acht sächsische Einwohner.

Die Heimatortsgemeinschaft
Die Sehnsucht vieler Henndorfer, sich in der Zerstreuung wiederzufinden, führte 1982 zur Gründung der HOG Henndorf; ihr erstes großes Treffen in Deutschland kam in Sachsenheim zustande. Es war ein freudiges, aber auch ergreifendes und besinnliches Wiedersehen, und man beschloß, nach dem Vorbild der Nachbarschaften in der alten Heimat eine Heimatortsgemeinschaft zu gründen. Durch sie konnte in den letzten Jahren vielen bedürftigen Landsleuten in Siebenbürgen mit Hilfspaketen geholfen werden; für die Andreaskirche in Henndorf wurde eine Blitzableiteranlage angeschafft. Die HOG war gleichzeitig vielen Landsleuten bei der Aufnahme und Einbürgerung in der Bundesrepublik behilflich.

Wichtige Informationen für die Henndorfer Landsleute: Die Kirche in Henndorf ist heute in gutem Zustand. Alle Besucher des Gotteshauses werden gebeten, sich namentlich ins Gedenkbuch, das auf dem Altartisch ausliegt, einzutragen und ihre Eindrücke schriftlich festzuhalten. Seit 1990 findet in der Kirche kein Gottesdienst mehr statt. Das Pfarrhaus ist reparaturbedürftig. Die HOG sucht zur Zeit eine Kontaktperson, die bereit ist, im Pfarrhaus zu wohnen und es in Ordnung zu halten. Desgleichen will die HOG im Pfarrhaus zwei Unterkunftsräume für Besucher einrichten. Der Friedhof sieht nicht schlecht aus, nur fehlen die Blumen auf den Gräbern. Zwei Gedenksteine sind umgestürzt. Die Umfriedung ist teilweise reparaturbedürftig.

Der HOG-Vorstand beschäftigt sich derzeit u.a. mit der Familienforschung, die Gräber werden in einer Kartei erfaßt, ein Friedhofsplan soll erstellt werden. In Zusammenarbeit mit dem Siebenbürgisch-Sächsischen Kulturrat e.V. bemüht man sich, die gesammelten Kulturgüter zu sichern. Zur Heimatgemeinde und zu den daheimgebliebenen Sachsen hat die HOG gute Kontakte, ebenso zu den siebenbürgischen Institutionen in Deutschland. Bei Heimattreffen sollen sächsische Bräuche nach Möglichkeit weiterhin gepflegt werden. In der Mitgliederkartei der HOG Henndorf sind 310 Familien registriert, die jeweils einen Jahresbeitrag von 20,- DM eintrichten.



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Dokument: ../orte/henndorf/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 18.07.98 Dirk Beckesch