HZ Nr. 1510/ 07.02.97

"Wir müssen nicht weglaufen"

In Burgberg hat ein sächsischer Bürgermeister das Sagen

Im wahrsten Sinne des Wortes links liegengeblieben ist Burgberg (rum. Vurpar) im Harbachtal seit 1991 die Schmalspurbahn nicht mehr fährt, die das Dorf mit der Haupt- und Herrmannstadt verband. Denn die Gemeinde liegt in einem linken Nebental des Harbachtals - von Hermannstadt aus gesehen. Die Holztransporte wurden von der Schiene auf die Straße verlegt und die Bewohner sind auf die Überlandbusse angewiesen, die leider am Wochenende ausfallen. Links liegengelassen wurde Burgberg auch von den Autoren des "Lexikons der Siebenbürger Sachsen". Dabei war die 1296 erstmals als Villa Heoholm urkundlich erwähnte sächsische Gemeinde immerhin die Wiege weiterer drei Ortschaften im Umkreis: Thalheim, Rothberg und Neudorf, die von Burgberg aus besiedelt wurden.

Burgberg war auch später eine stattliche und wirtschaftlich solide Gemeinde. Man erinnert sich auch heute noch im Dorf an die Zeiten, als hier Fleischrinder für Österreich und Italien gemästet wurden. Der gelernte Bäcker Michael Lienerth (40) will sein Dorf wieder zu Ehren bringen. Er wurde im Mai 1996 mit 85 Prozent aller Stimmen zum Bürgermeister gewählt. Die anderen sechs Kandidaten hatten gegen ihn keine Chance. Und das, obwohl von 2.210 Bewohnern lediglich 54 Deutsche sind. 1060 sind Rumänen und 1105 Zigeuner, denen allerdings die Zukunft gehört: 85 Prozent der schulpflichtigen Kinder stellen die Zigeuner Lienerth sieht darin eine Herausforderung. Als er sich entschloß, für das Bürgermeisteramt zu kandidieren, wollte er das zuerst auf den Listen des Forums. Da er aber merkte, daß sich nichts bewegte, sagte er ja, als die Agrarier ihn als Kandidaten aufstellen wollten. So vertritt er die PDAR. Angefangen hat er nach 1990 mit einer Bäckerei unter dem Namen HG Linel GmbH in der Neppendorfer Straße, die teilweise durch Vermittlung des Forums ausgestattet worden ist. Er machte sich schnell selbständig und gründete 1991 eine weitere Bäckerei (Partner GmbH) in Burgberg. Hinzu kam kurz darauf eine neue Handelsgesellschaft Sivurom (Sibiu, Vurpar, Romania). An allen ist er mit 50 Prozent des Kapitals beteiligt. Sivurom verfügt über eine Molkerei, die u.a. frische Milch in Plastiktüten, Schafskäse, Butter und Rahm nach Hermannstadt liefert, und fünf Gemischtwarenläden (drei in Burgerberg und je einer in Thalheim und in Rothberg). Rund 30 Arbeitsplätze wurden geschaffen. Arbeit gibt es genug, meint Lienerth. Was fehlt ist das Geld. Er würde sich freuen, wenn ein ausländischer Investor Interesse an dem mehr als 200 Hektar großen Obstgarten anmelden würde. Von hier aus wurden seinerzeit Äpfel exportiert und hohe Gewinne erzielt, Heute liegt alles brach. Die Staatsfarm ist bankrott es wird nichts mehr angebaut, die Bäume sind alt. Auf relativ großen Flächen ist der Zaun einfach verschwunden und die Schafe weiden unter den Apfelbäumen. Eine Lösung wäre auch, die derzeitigen Aktionäre in den Besitz ihren Grundstücke zurückzuversetzen.

Sieht man die Gebäude, die in der relativ kurzen Amtszeit Lienerths renoviert wurden, muß man sagen, daß es auch an den Menschen hängt. Vizebürgermeister Cornel Aldea (39) bestätigte unsere Vermutung. Er war auch vorher Vize, doch weder an dem Gebäude des Bürgermeisteramtes noch an den zwei imposanten Gemeindesälen (dem sächsischen und dem rumänischen) wurde etwas repariert und das sei so seit mehr als zehn Jahren. Nun strahlen das Bürgermeisteramt und die Polizeistation in neuem Glanz, Lienerths Büro kann sich sehen lassen. Die Rinnen und die Dächer der beiden Gemeindesäle wurden instandgesetzt bzw. erneuert und unter dem Burgberg die ehemalige deutsche Schule sieht auch einladend aus in ihrem blauen Anstrich. Hier ist der Kindergarten untergebracht, in dem Katharina Stephani eine deutsche Gruppe mit 27 Kindern betreut, von denen drei Deutsche sind.

Die acht Kinder, die Liliana Mann in den deutschsprachigen Klassen I-IV simultan unterrichtet gehen ins Gebäude der rumänischen Schule. Der Bürgermeister selbst hat sechs Kinder Das jüngste ist drei und der älteste Sohn, der seit seiner Geburt an dem Little-Syndrom(spastische Lähmung infolge eines Gehirnschadens) leidet ist 18. Nach der vierten Klasse gehen bzw. gingen sie in die rumänische Schule. Das sei kein Problem. Nach Hermannstadt zu fahren ist eher ein Problem: " Lieber bleiben sie unter unseren Augen. Deutsch können sie weiter in der Familie sprechen, in der Kirche und wir können über Satellitenschüssel deutsche TV-Sender empfangen."

Hat er nicht ans Auswandern gedacht? Dazu der Bürgermeister: "Meine Frau und ihre Familie gehören zur deutschen Baptistengemeinde. Ein Gläubiger verläßt nicht so einfach das Land, in dem er geboren ist, er bleibt dort, wo ihn Gott hingesetzt hat. Ich selbst bin Mitglied der evangelischen Kirchengemeinde. Wir haben auch keine RU-Nummer beantragt. Ich hoffe, daß es auch bei uns aufwärts gehen wird. Das wird man wohl erst 1998 spüren. Andererseits, wenn man auf Interesse stößt und Möglichkeiten hat, den anderen Leuten zu helfen, hat es auch Sinn, hierzubleiben. Es gibt schon Momente, wenn einem Zweifel kommen, aber das sind nur Momente wenn es Schwierigkeiten gibt oder wenn man von draußen hört - warum soll uns ein Deutscher führen? Es gibt leider auch solche Leute, die uns nicht sehen können, aber das ist nicht die Mehrheit. Deshalb müssen wir nicht weglaufen.

Stolz ist er auch darauf; daß es ihm gelungen ist, noch 17 Hektar von dem ehemaligen Besitz von Sachsen zurückzuerhalten. Es handelt sich dabei um einen Teil des Bodens, den die Sachsen 1990 beantragt haben. Inzwischen waren einige von ihnen ausgewandert und deren Anträge wurden einfach aufs Eis gelegt. Bis 1996 konnten die Deutschen in Burgberg nur 16 Hektar Boden ihr eigen nennen. Nun haben sie insgesamt 32 Hektar Es sei zwar kein Ackerboden, sondern Weidegrund, aber darauf könnte man durch aus eine kleine Farm bauen und einige Tiere - Kühe, Schafe, Büffel - halten.

Der Arbeitstag des neuen Bürgermeisters zählt meistens bis zu 14 Stunden. Er hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit überhaupt keine Zeit zum Nachdenken. Er mußte gleich agieren, um die rund 244 Millionen Lei aus dem Staatssäckel auch gut anzubringen. Hinzu kamen noch 30 Millionen Einnahmen aus der Gemeinde. Damit wurden Gebäude renoviert, sowie drei Brücken und drei Kilometer Straße neu gebaut. Die Gemeinde könnte florieren, wenn von den erwähnten Summen nicht monatlich rund So Millionen an Sozialhilfeempfänger ausgezahlt werden müßten. Von 300 Familien, die Sozialhilfe beantragt hatten, wurden 170 ausgewählt die sie tatsächlich brauchen. Diese Leute könnten im Gegenzug zur Mitarbeit bewegt werden. Das gelang einmal: Bis sie Ihr erstes Geld erhielten, halfen sie bei den Renovierungsarbeiten mit. Lienerth und Aldea stellen einstimmig fest: "Niemand kommt zum Bürgermeisteramt um seine Dienste anzubieten - alle wollen etwas - vor allem Geld." Auch sei es viel schwerer, Gebühren und Steuern einzutreiben. Es gibt Leute, die ihre Weidetaxen seit 1995 nicht bezahlt haben. Dies und zahlreiche Diebstähle stehen auf der Tagesordnung. Der Ortspolizist Alexe Chiper zeigt sich aber nicht gerade besorgt. Er meint, es liege an den sozialen Problemen und am Alkoholmißbrauch. Viele werden straffällig weil sie einfach Hunger haben. In der Nacht vor unserem Besuch hatte ein junger Zigeuner von einer alten Rumänin eine (bis aufs Brot)"komplette Mahlzeit" gestohlen: Schweinebraten, Eier, Speiseöl und Schnaps. Chipper meint, die Sozialhilfe solle nicht ausgezahlt werden, das Geld müßten z.B. die Handelsgesellschaften erhalten, die dann den Betroffenen Ware im Gegenwert aushändigen. Jedenfalls ist er glücklich, daß es sehr selten aggressiv zugeht, wenn die Männer mal wieder über den Durst getrunken haben. Das ist aber auch den Ordnungshütern zu verdanken, der sie kaum aus den Augen läßt und sie das auch wissen läßt.

Schlimm steht es auch mit der ärztlichen Betreuung. Im Ort gibt es zwar zwei Ärzte, doch fehlt der eine will der andere diejenigen die nicht auf seiner Liste stehen (ihn also nicht zum Arzt ihres Vertrauens sprich Hausarzt gewählt haben)einfach nicht untersuchen, geschweige denn ihnen Medikamente verschreiben. Diese Regelung müsse schleunigst geändert werden. Auch hoffe man bald auf die Einstellung einer Gemeindeschwester. Derzeit gibt es keine. Die gebürtige Burgbergerin Sofia Weinhold, die lange Zeit als Krankenschwester im Lutherspital gearbeitet hat lehrte die Kindergärtnerin einiges und sie hilft auch sonst mit wenn es notwendig ist. Sie betreut auch das kleine Ortsforum.

Die größten Schwierigkeiten gibt es in Sachen Landwirtschaft. Die hohen Preise bei Landmaschinen, Dünger und Saatgut wirken entmutigend auf die Bauern und so liegen viele Hektar Land einfach brach. Die zwei gleich nach 1990 gegründeten landwirtschaftlichen Vereine sind bankrott gegangen nachdem sie Kredite aufgenommen hatten. Jetzt gibt es noch einen Verein, der einen Billigkredit erhalten hat und rund 200 Schweine hält. Gleich bei der Dorfeinfahrt stehen die verwahrlosten Stallungen und Speicher der ehemaligen LPG. Sie gehören einer Bank, seit die Firma, die sie seinerzeit gekauft hat, bankrott gegangen ist. Bis jetzt hat sich auch kein Käufer dafür gemeldet, trotz wiederholter Inserate in der Zeitung.

Lienerth denkt aber auch an die ausgewanderten Burgberger: Als der Verein der Helfer Alkoholabhängiger und anderer Drogensüchtiger anfragte, ob das Pfarrhaus (das sich noch im Staatsbesitz befindet) zu einem Rehabilitationsheim für alkoholkranke Frauen zur Verfügung stehe, war der Bürgermeister dagegen. Er wolle dort eher ein Gästehaus einrichten für jene Burgberger, die zu Besuch kommen aber keine Bleibe haben, weil sie ihre Häuser verkauft haben. Ein Reha-Heim könne ja in einem anderen Haus in der Gemeinde eingerichtet werden.

Beatrice UNGAR



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Dokument: ../hz/1510_1.htm, Autor: Michael Kothen , letzte Änderung am 29.01.98