HZ Nr. 1552/05.12.1997

Ohne Vertrauen läuft in der Wirtschaft nichts

Der Nachkomme einer siebenbürgisch-sächsischen Unternehmerdynastie will vom rumänischen Staat das beschlagnahmte Familienerbe zurück haben

Gerold Gromen, Jahrgang 1930, ist die Verkörperung des Selfmademans, und seine Biographie liest sich wie die Geschichte eines amerikanischen Tellerwäschers, der es über Nacht zum Millionär gebracht hat. Diesen Vergleich legt sein siebenbürgisches Deutsch nahe: Er spricht es mit einem angelsächsischen Akzent, den er sich in Australien zugezogen hat. Gromen hat bis 1972 in Rumänien gelebt; er war Textilchemiker, zu deutsch Färber, in einer Bukarester Handwerkerkooperative, und es ist ihm hier, wie er sagt, nicht schlecht gegangen. "Ich hatte eben dieses kaufmännische Talent; ich wußte immer, wie man Geld verdienen kann, aber auf ehrliche Art." Dann wanderte er nach Deutschland aus, baute sich dort eine Existenz als Kaufmann auf, ging, als der Konkurrenzkampf zu hart wurde, mit fünfzig nach Australien und fing von vorne an. Im Wendejahr 1989, nahe den 60, war er gerade auf dem Sprung, sich in Taipeh niederzulassen, als in Osteuropa das kommunistische System zusammenbrach. Er kehrte sofort nach Europa zurück, versuchte in Ostdeutschland und Rumänien Geschäfte anzubahnen - es war noch zu früh, er fiel mit seinen Unternehmungen erst mal auf die Nase. Seit zwei Jahren ist Gerold Gromen Rentner und hat nun Zeit, um sich in Rumänien um sein zurückgelassenes Erbe zu kümmern. Die Gromens stammen aus Heltau; der Großvater, Michael Gromen senior, war der tüchtigste Geschäftsmann im Ort, und er hat für jeden seiner vier Söhne eine Fabrik aufgebaut. Dementsprechend groß ist das Gromensche Familienerbe, das seit der Nationalisierung der rumänische Staat verwaltet: die Betriebe Libertatea (früher Tuchfabrik Gromen & Herbert) in Hermannstadt, Matasea Româna (Seidenspinnerei Gromen & Co.), Filatura de Bumbac (Baumwollspinnerei Meva) und Covtex in Heltau, von letzterem allerdings nur ein kleiner Teil (nämlich die frühere Halbkammgarnspinnerei Taute & Co.).

Sie wollen - so jedenfalls stand es in dieser Zeitung - die früheren Besitztümer der Gromenschen Familie zurück haben...

Das wird falsch gesehen. Die meisten Leute hierzulande denken: Oho, das ist ein Kapitalist, ein Ausbeuter, der will alles zurück haben und wird wieder Millionär. Aber das ist überhaupt nicht so. Denn eine rumänische Fabrik heutzutage ist altes Eisen, ist ein Negativwert. Der Staat würde am besten tun, wenn er solche Fabriken zurückgäbe, denn er wird mit der Rückgabe ein Problem los, nämlich die Verpflichtung, -zig Millionen Mark oder Dollar in sie zu investieren. Wenn er sie den gewesenen Besitzern zurückgibt, hat er zwei Vorteile: Erstens schafft er durch die Rückgabe Vertrauen, ein Vertrauen, das Investoren anzieht, und zweitens können nun die ehemaligen Besitzer selbst Investoren, Geschäftspartner anwerben, denn allein werden sie den Karren nicht aus dem Dreck ziehen. Wir sind nicht Multimillionäre geworden in zwanzig oder dreißig Jahren im Ausland. Wir können nur mit anderen Unternehmern aus Europa, Asien oder Amerika zusammenarbeiten, die schon Absatzmärkte haben.

Sie haben, so stand bei uns zu lesen, wenig Chancen auf Besitzrückgabe.Wie sehen Sie das?

Die Chancen sind hundertprozentig, denn vom wirtschaftlichen Standpunkt gibt es nur diese Lösung. Wenn Rumänien durch Besitzrückgabe nicht Vertrauen schafft, herrschen hier bald bulgarische Zustände. D. h. wie sie in Bulgarien früher waren, denn Bulgarien, das nahe am Wirtschaftskollaps war, ist heute auf dem richtigen Weg und sogar auf der Überholspur, und in Rumänien hat sich nichts getan. Sie haben in Rumänien an diverse Türen geklopft - wo waren Sie überall? Ich bin jetzt das 14. Mal in siebzehn Monaten hier, und nur in dieser einen Angelegenheit der Besitzrückgabe. Wenn ich ein Ziel habe, dann erreiche ich es auch. Und dieses Ziel kann nur sein: totale Rückgabe. Ich habe eine moralische Verpflichtung gegenüber meinen Vorfahren, und eigentlich haben alle ehemaligen sächsischen Besitzer diese Verpflichtung, nur ist es leider so, daß es nicht so viele Kämpfertypen unter ihnen gibt, denn durch all die Maßnahmen der Kommunisten - Gefängnis, Deportation usw. - sind die meisten Sachsen so deprimiert und hoffnungslos, daß sie nicht erkennen, daß in Rumänien eine Wende eingetreten ist. Aber manche Leute entwickeln sich gerade unter widrigen Umständen zu Kämpfernaturen, und so eine bin ich.

Nochmals: Welche Chancen haben Sie, Ihr Erbe zurückzubekommen?

Wenn der rumänische Staat erkennt, wenn wirtschaftlich denkende Leute in dieser Angelegenheit das Sagen haben, und sie schaffen, ich wiederhole mich, Vertrauen durch Rückgabe - und Vertrauen ist die Grundlage des Geschäftslebens! -, dann kommt das Land wirtschaftlich hoch, und wenn das nicht geschieht, dann tritt der Kollaps ein. Denn nicht das Geld ist das wichtigste, das wichtige sind die tüchtigen Menschen. Rumänien braucht mindestens 15.000 Wirtschaftsmanager mit praktischer Erfahrung aus dem Westen, damit die Wirtschaft von oben in Schwung gebracht wird. Zum Beispiel einen Mann wie diesen Australier, der zur Zeit in Bukarest wegen der Übernahme landwirtschaftlicher Flächen verhandelt. Er will auf der Nordhalbkugel u n d auf der Südhalbkugel Landwirtschaft betreiben, im Sommer da, im Winter dort - und zwei Ernten im Jahr einbringen!

Machen Sie Geschäfte auch in Rumänien oder mit Rumänien?

1990 bin ich nach Rumänien gekommen, um zu sehen, was hier los ist. Aber die Verhältnisse waren noch nicht reif. Seit zwei Jahren bin ich Rentner, und seither beschäftige ich mich intensiv mit Rumänien. Ich bin im direkten Kontakt mit der Regierung - mit Ulm Spineanu und anderen.

Und?

Na ja, freundliche Worte, o cafeluta usw., aber es tut sich nichts. Oder vielleicht doch nicht ganz: Es gibt einen Gesetzentwurf überdie Rückgabe aller Handelsgesellschaften, der soll in den nächsten Monaten herauskommen - ich kenne ihn, weil ich eine Ablichtung besitze- , und der sieht vor, daß alles zurückgegeben wird: Werkstätten, Geschäfte, Fabriken, Banken, Versicherungsgesellschaften, Hotels - alles, alles, alles. Und zwar wird das, was noch steht, grundsätzlich in natura zurückgegeben, was nicht mehr steht oder wo aus einer Werkstatt ein Kombinat geworden ist, da wird entschädigt. Jeder, der zum Zeitpunkt der Verstaatlichung - 11. Juni 1948 - in Rumänien wohnhaft und rumänischer Staatsbürger war, auch wenn er heute im Ausland lebt und nicht mehr die rumänische Staatsangehörigkeit besitzt, ist rückgabeberechtigt.

Rückgabe- u n d entschädigungsberechtigt...

Natürlich, auch entschädigungsberechtigt. Aber da beißt sich ja die Katze in den Schwanz! Versetzen Sie sich mal in die Lage der rumänischen Regierung: Was ist für sie besser? Am ungünstigsten ist es für den rumänischen Staat, wenn er eine Entschädigung zahlt, und wenn es nur zehn Prozent wären. Er muß Geld zahlen, daß er nicht hat, er muß dem schlechten Geld - den Fabriken, die nichts wert sind - gutes Geld nachwerfen. Denken Sie mal nach: Statt mir 10 Prozent Entschädigung zu geben und 20 Millionen Dollar in die Fabrik zu investieren, wäre es für Sie nicht günstiger, wenn Sie mir das alte Eisen zurückgäben, wodurch Sie Ihre Probleme los sind, und ich die 20 Millionen Dollar aufbrächte?! Diese Dinge muß man realistisch, muß man wirtschaftlich sehen, aber 50Jahre Kommunismus haben das wirtschaftliche Denken ausgemerzt.

Sie meinen, in acht Nach- Wende- Jahren hätten die Leute noch immer nichts dazugelernt?

Auf einer Begegnung mit deutschen Geschäftsleuten im Januar 1997sagte Präsident Emil Constantinescu folgendes: "Das Vertrauen ist das größte Kapital, das jemand haben kann. Und wir tun, was wir sagen." Da habe ich mir gedacht: Wenn die Führung so denkt, dann muß es aufwärts gehen! Denn ohne Vertrauen läuft nichts, im Kleinen wie im Großen. Wenn man Sie in einem Laden betrogen oder Ihnen verdorbene Ware angedreht hat, gehen Sie nicht mehr hin, und wenn kein Vertrauen in ein Land da ist, kommen keine Investoren. Heute frage ich mich: Wieso ist alles anders, als Constantinescu es gesagt hat? Und ich sage mir, daß er keine guten Wirtschaftsberater und Ministe rhat - Leute nämlich, die praktische Erfahrung im Umgang mit dem eigenen Geld haben, die ihr Geld in ein Wirtschaftsunternehmen eingesetzt und es riskiert haben, so wie ich, die wissen erst, was Handel treiben heißt. Jemand, der sein Leben lang nur angestellt war, hat höchstens um seinen Job gebangt, nie um sein Geld. Ich glaube also, in diesem Land regiert die Inkompetenz. Denn was der FPS anstellt, das geht auf keine Kuhhaut. Ich kenne viele Beispiele, hier nur eines: Ein rumänischer Unternehmerin München läßt in Rumänien Ware herstellen, die er bis nach Japan vertreibt. Das Geschäft läuft toll. Seine einzige Sorge ist, daß eines Tages die Fabrik verkauft wird, in deren leerstehenden Halle er seine Ware produziert. Seit drei Jahren verhandelt er nämlich mit dem FPS wegen der Verpachtung oder dem Verkauf dieser Halle, und seit drei Jahren kann ihm die rumänische Treuhand nicht den Pacht- oder Kaufpreis sagen. Wo um Himmels willen gibt es auf dieser Welt einen Kaufmann, der nicht imstande ist, einen Preis zu nennen!? Das Vertrauen in die neue Regierung war anfangs groß. Aber seit dem Sommer sinkt es von Tag zu Tag. Rumänien zeigt, daß es das Privateigentum nicht respektiert: es werden keine Anstalten gemacht, unrechtmäßig enteignetes Gut zurückzugeben, und daß es - und das ist das schlimmste - auch noch Hehlerei betreibt: enteignete Objekte werden an Dritte verkauft. Unter Iliescu ist die Heßhaimersche Schokoladenfabrik in Kronstadt an den Philipp- Morris- Konzern verkauft worden. Diese Woche verhandelt ein Heßhaimer- Erbe in Wien mit den Konzernvertreter wegen seines Besitzes. Den Amerikanern ist es nicht alles eins. Denn kein Investor kann ruhig schlafen, wenn er weiß, daß er ein gestohlenes Gut erworben hat. Eines Tages kommt nämlich jemand mit einem Pfändungstitel vom Internationalen Gericht in Den Haag und sagt: So, nun hast du 10 Millionen Dollar investiert, ich habe nur gewartet, bis du das tust, denn vorher hätte ich nur einen Haufen Schrott pfänden können; aber jetzt lohnt es sich!

Der Hermannstädter FPS-Chef Cirica erklärte, Sie hätten ihm eine Liste mit 30-40 enteigneten Fabrikbesitzern übergeben, deren Interessen Sie vertreten. Stimmt das?

Ich vertrete nicht dreißig, sondern über dreihundert Unternehmer. Wir sind dabei, eine Stiftung mit Namen Siebenbürgische Immobilienstiftung zu gründen. Viele der früheren Fabrikbesitzer bzw. ihre Erben wollen nicht mehr nach Rumänien kommen, wollen die rumänische Staatsbürgerschaft nicht wieder zurück erwerben, darum ist eine Stiftung die beste Möglichkeit, den einstigen sächsischen Besitz zu verwalten.

Wer sind die Unternehmer, deren Interessen Sie vertreten?

Es sind so ziemlich alle, die einst Rang und Namen hatten: Rieger und Heß, Jikeli und Zacharias, Pantle von Graziosa, Albrecht von Lica, die Hermannstädter, die Heltauer, die Mediascher, die Schäßburger, nur die Kronstädter wollen größtenteils noch abwarten und sehen, was aus der Sache wird.

Das Gespräch führte Horst WEBER

 

 

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Dokument: ../hz/1552_5.htm, letzte Änderung 22.01.98, Autor: Michael Kothen