Baaßen

von Reinhold Schullerus

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. Juli 1996)

Die Gemeinde Baaßen liegt 10 km nordwestlich von Mediasch (Luftlinie). Ob man zu Fuß durch den Wald geht oder den asphaltierten Weg über Kleinblasendorf nach Mediasch fährt, in beiden Fällen muß man die Wasserscheide zwischen der Großen und Kleinen Kokel überqueren, die mit der "Hohen Warte" zwischen Baaßen und Großprobstdorf eine Höhe von rund 600 m erreicht.

Die Vermutung, Baaßen sei von Bonnesdorf aus gegründet worden, kann weder bewiesen noch widerlegt werden. Auch der Zeitpunkt der Ortsgründung ist unbekannt. Der ungarische König Stefan V. (1270-1272) schenkte das Dorf dem "Comes Bozouch", dem Sohn des Inok. Graf Bozouch blieb kinderlos und vermachte die Gemeinde später dem Weißenburger Kapitel. Darüber wurde 1302 eine Urkunde aufgesetzt, in der auch die Schenkung durch König Stefan und die Gemeinde Bozna erwähnt werden. Auch 1359 erscheint der Ort unter dem gleichen Namen. Später hieß er Basnen (1563 und 1591) und 1782 schließlich Baassen. Über die Herkunft des Ortsnamens gibt es verschiedene Theorien, darunter auch den Gedanken, der Name sei aus der Urheimat mitgebracht worden (siehe die Gemeinde Baasem, die es heute noch in der Eifel gibt).

Über die vorreformatorische Geschichte von Baaßen wissen wir relativ wenig. 1302 wird der Ort als untertänige Gemeinde genannt. 1359 erscheint er schon als freie Gemeinde des Königsbodens, die zum Mediascher Stuhl gehört. 1359 wird Baaßen von Pfarrer Nikolaus und dem Ortshannen Johannes in einem Hattertstreit gegen die Gemeinde Wölz vertreten. Der Grenzstreit zwischen den Nachbargemeinde flammte immer wieder auf und wurde erst 1850 beigelegt.

Ungeachtet dieser Spannungen standen die beiden Gemeinden 1412 gegen die Gemeinde Bonnesdorf zusammen. Wieder ging es um Grenzunklarheiten. Wie wichtig diese Frage war, geht aus der Tatsache hervor, daß zwei Vertreter des Mediascher Stuhles im Auftrage von Baaßen und Wölz im Jahre 1415 auf dem Konzil zu Konstanz vor König Sigismund, der gleichzeitig auch deutscher Kaiser war, erschienen und um eine endgültige Entscheidung baten. Der Fall wurde zu Ungunsten der Bonnesdorfer entschieden.

Aus einer Bestandsaufnahme von 1516 über die Dörfer der Stühle Mediasch und Schelk erfahren wir, daß Baaßen (Bazna) damals 82 Wirte, 3 Witwen, 2 Hirten und einen Schulmeister hatte. Hochgerechnet könnte die Gemeinde damals 400 bis 500 Seelen gezählt haben. Einige Jahre zuvor (1504) war der Umbau der romanischen Kirche in eine gotische abgeschlossen worden. Gleichzeitig erfolgte die Befestigung der Kirche zur Wehrkirche. Die Wehranlagen wurden im 16. und 17. Jahrhundert weiter verstärkt. Der Chorraum der Kirche weist einen rechteckigen Grundriß auf. Die Apsis fehlt. Oberhalb des Chores befinden sich noch drei Stockwerke von gleichem Ausmaß, die über eine Wendeltreppe aus dem Kircheninnern zu erreichen sind. Sie boten einst für den Großteil der Gemeinde letzte Zuflucht.

Im Kircheninnern sind die Sakramentsnische von 1504 mit dem auferstandenen Christus und das Pfarrgestühl von 1503 (1593?) erwähnenswert. Altar und Kanzel sind Werke von Meistern des 18. Jahrhunderts.

Im Süden der Burg liegt der Torturm, der gleichzeitig als Glockenturm dient. Alle drei Glocken stammen aus der vorreformatorischen Zeit. Die größte unter ihnen, eine "Wetterglocke", war dem Heiligen Nikolaus geweiht, die mittlere trägt die Jahreszahl 1504.

Wer die Reformation in Baaßen durchgeführt hat, wissen wir nicht. Der erste bekannte evangelische Pfarrer, bei dem wir allerdings nur den Vornamen, Petrus, kennen, stammte aus Baaßen und stand 1577 im Amt. Von ihm bis 1993 haben 34 Pfarrer in Baaßen gewirkt.

Heilquellen: 1672 wurde zum ersten Mal über das "brennende Wasser" von Baaßen berichtet. Erst später wurde das "Naturwunder" erklärt und zugleich auf die Mineralquellen bei Baaßen hingewiesen. Der Ortspfarrer A. Caspari versuchte 1776 in seiner Schrift "Das Baassner Bethesda" eine Beschreibung der Quellen. Auch Fachleute des 18. Jahrhunderts befaßten sich mit der Erforschung der Quellen aus chemischer und medizinischer Sicht. Dennoch hat es lange gedauert, bis diese Gabe der Natur zum Wohle der Kranken genutzt wurde.

Die Heilquellen bei Baaßen haben den Ort über die Landesgrenzen hinaus bekanntgemacht. Im 19. Jahrhundert wurde zunächst eine Aktiengesellschaft gegründet, dann nahm sich ein Privatunternehmen der Sache an und speiste die Gemeinde mit einer niedrigen Pachtsumme ab. Erst als der Pachtvertrag nach 50 Jahren abgelaufen war, wurde die Heilanstalt von der Kirchengemeinde unter Pfarrer Friedrich von Sachsenheim übernommen und ausgebaut. Dank der außerordentlichen Bemühungen des Ortspfarrers wurde sie bald zu einer erfreulichen Einnahmequelle für die Kirchengemeinde und ermöglichte die Verwirklichung verschiedener Projekte, etwa den Bau eines Gemeindesaales (1940).

Erdgas: Für Schlagzeilen und öffentliches Interesse sorgte seinerzeit auch das Erdgasvorkommen auf Baaßner Hattert. Die Erdgasförderung war Monopol des Staates. Im Juni 1912 wurde mit dem Tiefbohrungen in der "Salzau" bei Baaßen begonnen. Am 13. August erreichte die Bohrung den Gasherd: Unter starkem Druck und mit außergewöhnlichem Brausen strömte das Erdgas ins Freie, täglich etwa 15000 Kubikm. sollen entwichen sein. Hermannstadt, Budapest - sogar Berlin - nahmen Kenntnis von dem Ereignis und sandten ihre Glückwünsche. Der Gemeinde wurde ein Verbrauch von 1000 Kubikm. Gas pro Tag zum Selbstkostenpreis zugesagt. Weitere Verhandlungen führten zum Ergebnis, daß Baaßen die erste Gemeinde mit maschinellem Gasbetrieb war. Später wurde die Erdgasbeleuchtung in den Häusern und auf den Gassen eingeführt, die bis in die Nachkriegszeit im Gebrauch blieb.

Bevölkerung: Seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhundert ist die Einwohnerzahl der Gemeinde erfreulich gewachsen. Wenn sie 1765 nur 351 Seelen betrug, so waren es 1850 schon 709 und 1901 rund 1000 Gemeindeglieder. Einer Angabe aus dem Jahre 1930 zufolge gab es 1300 evangelische Einwohner. Das mag als der höchste Stand gelten, den die Gemeinde jemals erreicht hat.

Der Zweite Weltkrieg brachte die ersten großen "Abgänge": 167 Männer aus Baaßen kämpften in der rumänischen und deutschen Armee, 45 fielen. Ein Großteil jener, die den Krieg überstanden hatten, blieb in Deutschland. Zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion wurden 180 Baaßner verschleppt, insgesamt 23 Personen starben dort.

Nachkriegszeit und Auswanderung: Die inneren und äußeren Erschütterungen, die der Krieg und die Nachkriegsjahre der Gemeinde und ihren Gliedern zufügten, hat diese nie überwunden. Der ihnen wesensfremde Kommunismus, gepaart mit unberechenbarem Nationalismus, war für die Sachsen auch ein Hindernis bei der Aufarbeitung der Vergangenheit. Äußerlich schien manches wieder ins Lot zu kommen, aber wie es in Wirklichkeit um die innere Verunsicherung stand, zeigte sich nach der Wende von 1989: Aus dem langsamen aber stetigen Rückgang der Einwohnerzahl wurde fast über Nacht eine nicht aufzuhaltende Lawine. Die Seelenzahl der Gemeinde Baaßen verdeutlicht das:
31. Dezember 1989 waren es noch 743 Seelen, 1990 nur noch 353, im Jahre 1991 bloß 206 evangelische Gemeindeglieder, 1992 dann 131, ein Jahr später 88, im Jahr darauf 71, 1995 bloß 66, und heute sind es noch 53 Seelen.

Die ausgewanderten Baaßner sind über das ganze Bundesgebiet verteilt. Daß sie sich jedes zweite Jahr in großer Zahl (etwa 600) in Dinkelsbühl treffen, ist erfreulich und ein Zeichen dafür, daß ihr Zusammengehörigkeitsgefühl auch in der geographischen Zerstreuung nicht verlorengegangen ist. Man kann nur wünschen, daß alle, jeder in seiner Weise, einen guten Weg finden und gehen mögen.



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Dokument: ../orte/baassen/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 28.07.98 Dirk Beckesch