Kastenholz

von Simon Thiess

(erschienen in der Siebenbürgischen Zeitung, 15. November 1998)

Kastenholz, rumänisch Casolt, ungarisch Hermany, liegt am rechten Ufer des Harbachs, 14 km östlich von Hermannstadt, 2 km südlich von Thalheim, 6 km nördlich von Girelsau und 6 km westlich von Harbachsdorf (Cornatel) entfernt, etwa 425 m über dem Meeresspiegel. Das Dorf gehört zu den sogenannten Siegbächelgemeinden. Erstmals wird der kleine Ort am 25. September 1302 urkundlich erwähnt: Die Hermannstädter Stuhlversammlung stellt an diesem Tag eine Urkunde darüber aus, daß die Gemeindeglieder von Kastenholz in Eintracht Peter, Sohn des Gräfen Daniel, zu ihrem (damals katholischen) Pfarrer gewählt hätten. Der Dechant des Hermannstädter Kapitels weigerte sich zunächst, die Bestätigung vorzunehmen, da Peter noch im Knabenalter ("puerili aetate") stand. Auf Bitten der Stuhlvertreter sprach er dennoch die Bestätigung aus, ließ sich aber mit Pergament und Siegel bekräftigen, daß Forderungen dieser Art künftig nicht mehr gestellt würden. Aus der Urkunde von 1302 läßt sich herauslesen, daß Kastenholz eine freie "Königsbodengemeinde" des Hermannstädter Stuhles gewesen ist. Andererseits muß das Gräfengeschlecht von Kastenholz eine machtvolle Stellung innerhalb der Gemeinde und des Stuhles gehabt haben, denn sonst hätte es nicht eine scheinbar sinnwidrige Wahl durchsetzen können. 1339 und 1342 wird ein Gräf Daniel von Kastenholz urkundlich als Mitglied der Hermannstädter Stuhlvertretung aufgeführt, nach 1380 verschwindet der Name des Gräfengeschlechts aus den geschichtlichen Zeugnissen.

Die Kirche, in der der Neugewählte seinen Dienst versehen sollte, war der Jungfrau Maria "plebania beatae Mariae virginis") geweiht. Sie befand sich auf dem "Tuschelberg", hoch oberhalb der Gemeinde. Als wertvolles historisches Denkmal war sie bis zum Ersten Weltkrieg noch in Ruinen vorhanden, von einer Wehranlage umgeben. Der verdienstvolle rumänische Kunstgeschichtler Virgil Vatasianu hat in seinem Werk über die feudale Kunst in Rumänien eine Aufnahme des Bauwerks veröffentlicht. Man sieht auf ihr Ringmauerreste von etwa vier Metern Höhe und Reste eines massiven Turms, von dem noch das Erdgeschoß und ein Stockwerk standen.

Der Ortsname Kastenholz leitet sich vom lateinischen Kaste = Eiche und Holz = Wald und würde deutsch Eichenwald bedeuten. Kastenholz im Elsaß bedeutet Kastanienwald (siehe Walter Scheiners "Ortsnamen im mittleren Teil des südlichen Siebenbürgen", Band II, 1926/27). Weiter heißt es bei Dr. Gustav Kisch (Bistritz), es gebe ein Ober- und Niederkastenholz bei Euskirchen (Regierungsbezirk Köln), etwa 30 km südwestlich von Köln. Mit Kastanie hat Kastenholz nichts zu tun, zumal es in der Gegend auch keine Kastanienwälder gibt, wie beispielsweise in Ungarn oder Griechenland.

Eine alte Sage leitet den Ortsnamen von einer hözernen Burg ab, mit der sich die Dorfbewohner gegen die Tataren schützen wollten. Die ersten Siedler bauten eine Festung auf dem "Tuschelberg". "Af der Tuschel" ist der Eingang zu einem unterirdischen Gang zu finden, der in den einstigen Burgkeller führt, in dem sich große "Koffen" mit Wein aus alter Zeit befinden. Der dickflüssig gewordene Wein muß mit dem Messer geschnitten werden.

Auf dem "Tuschelbarch" stand einst eine Riesenburg, deren Bewohnerin, eine Riesin, "Tuschel" genannt wurde. Sie soll den Hühnen "Michel", der zu gleicher Zeit auf der Burg in Michelsberg lebte, aus Eifersucht mit einem Steinwurf getötet haben.

Die Umgebung von Kastenholz ist schon lange vor der Einwanderung der Sachsen bewohnt gewesen. Darauf deuten die sogenannten "Hünengräber" hin, die sich in einem waldigen Hügelgelände, etwa zwei Kilometer südlich von Kastenholz, befinden. Es handelt sich um etwa 300-500 Grabhügel: die Rumänen bezeichnen diesen Ort "la morminte". Das Verdienst, erstmals die Altertumsforscher auf die Grabhügel aufmerksam gemacht zu haben, gebührt dem ehemaligen Pfarrer von Girelsau, G. Schuller, der zusammen mit seinem Nachbarpfarrer Dr. D. Roth 1844 erste Grabungen daselbst vornahm. Sie förderten außer einigen stark beschädigten Graburnen mit Asche mehrere eherne, mit Widerhaken versehene Pfeilspitzen und eine eherne Münze mit dem gut erkennbaren Bild des Antonin zutage. Bei späteren Grabungen wurden Tongefäße, Urnen, Fibeln, Kohle, Asche, Knochen, Pfeilspitzen und römische Münzen gefunden. Es handelt sich offenbar um einen Friedhof aus der Zeit 100-300 nach Christi, als die Römer Herren des Landes waren. Hier waren die Toten eingeäschert und ihre Reste begraben worden. In der Nähe des Friedhofes befand sich eine Siedlung der dakischen Ureinwohner, die auch während der römischen Herrschaft ihr einfaches, traditionsgebundenes Hirtenleben fortführten.

Im 16. Jahrhundert gab es mancherlei Auseinandersetzungen mit den Bewohnern von Thalheim, 1542 wegen einer Brücke und 1545 wegen einer Wassermühle. Auch 1569 wird ein Streit zwischen Thalheim und Kastenholz erwähnt, als die Kastenholzer den gegen Thalheim gelegenen Acker ein Jahr lang brachliegen lassen, während ihre Nachbarn darauf bestanden, Roggen anzubauen und den Hattert einzuzäunen. 1591 beendete die Nationsuniversität den Streit und sprach sich zugunsten der Kastenholzer aus. 1598 führten Kastenholz und Girelsau einen Prozeß wegen Faßbinderholz.

Von den 43 Türkenüberfällen, die die Siebenbürger Sachsen überstanden haben, litten die Kastenholzer besonders stark unter denen von 1438 und 1442. Die Truppen des muntenischen Woiwoden Vlad Dracul brannten den Ort 1456 nieder, die Kurutzen plünderten ihn am 24. März 1705 aus. Im Jahr 1707 flüchteten die Dorfbewohner vor den Kurutzen nach Hermannstadt, mußten aber die Stadt auf Befehl des kommandierenden Generals wieder verlassen.

1796 vernichtete ein Hagelgewitter die Ernte (mangel an Brot und Saatgut), 1818 zerstörte eine Feuersbrunst die Häuser von neun sächsischen und einem rumänischen Wirten, das Schenkhaus und fünf Zigeunerhütten. 1868 wurde ein Teil der Gemeinde erneut vom Feuer vernichtet, gerade als viele Bauern auf den Hermannstädter Jahrmarkt waren.

Statistik
- 1468 sind 16 Wirte erwähnt, 1488: 28 Wirte, 1505: ebenfalls 28.
- 1700 hatte Kastenholz an Acker, Wiese und Wald genug, ferner eine Mühle mit zwei Läufen. Die Weinberge kommen nicht in Betracht, weil sie unfruchtbar waren. Der reichste Besitzer war Georg Lassel. Der Ort zählte 36 sächsische und 14 rumänische Wirte (aus Ziegental, Moichen, Kolun, Porcesti, Westen Talmacel).
- 1717: 26 sächsische Wirte; 1720: 32 sächsische, 19 rumänische Wirte.
- 1721: 32 sächsische Wirte, 32 "Inquilini Walachi". Die Häuser des Dorfes sind teils aus Holz, teils aus Stein. Die Rumänen haben Häuser aus Rutenwänden ("ex saepibus").
- 1765 hat der Ort 185 sächsische Seelen; 1775 ermächtigte das Gubernium den Hermannstädter Magistrat, Rumänen aus Großscheuern in acht Dörfer, darunter in Kastenholz, anzusiedeln.
- 1776 sind 30 rumänische Familien erwähnt, 12 Familien leisten Hirtendienst.
- 1862: 225 Sachsen, 1890: 235 Sachsen, 1910: 301 Sachsen, 1920: 304 Sachsen, 1939: 371 Sachsen, 529 Rumänen; 1953: 329 Sachsen.
- Alte Kirche - 1916 verschwanden im Zusammenhang mit den Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges die letzten Überreste der alten Kirche. Es war eine Kirche im romanischen Baustil.
- Neue Kirche - Als die so hoch gelegene alte Kirche unbrauchbar geworden war, wurde die heutige Saalkirche samt Glockentum (38 Meter hoch) auf dem Berghang gebaut. Sie hat Rundbogenfenster und einen rundgeschlossenen Chor. Eine Inschrift im Chor gibt Ausschluß über die Baujahre der neuen Kirche: 1805-1809.
- Der Altar stammt aus dem Jahr 1857. Sein einziges Bild, das von zwei Halbsäulen umrahmt ist, stellt den Gekreuzigten dar.
- Die Orgel, von Samuel Metz gebaut, hat zehn Register. Sie wurde am zweiten Christtag 1815 erstmals gespielt und gilt als Meisterwerk.
- Glocken: 1665 - "Den Kastenholzern zu almos gegeben, das Klocken kaufen sollen" (Kirchberger Gemeinderechnung). Die neue Glocke stammt aus dem Jahr 1924, die alte Glocke aus 1746.
- Turmuhr: 1893 wird die alte Holzuhr des Kirchturms mit einer neuen Turmuhr durch die Firma "Fuchs und Sohn, Bernburg" ersetzt.
- Das Gestühl ist bemalt und mit den Jahreszahlen 1768, 1780, 1806 versehen.
- Pfarrhaus: Auf der Ziegelumfassung des Pfarrhoftores ist die Jahreszahl 1789 zu lesen. Das 1896 gebaute Pfarrgebäude wurde 1912 durch den Baumeister Eckenreiter aus Neppendorf vergrößert und umgebaut.
- Pfarrhof: Ein Teil des Tuschelberges heißt der "Alte Hof". Es ist möglich, daß sich dort der alte Pfarrhof befand.
- Pfarrer: 1836-1849 war Dr. med. Daniel Roth Pfarrer in Kastenholz. Er trat als Verfasser von Erzählungen und Dramen hervor, auch des Romans "Sachs von Harteneck".
- 1898-1933 war Martin Scheiner hier Pfarrer, der in theologischen Auseinandersetzungen in Wort und Schrift für ein bekenntnistreues und biblisch gebundenes Christentum eintrat.
- Schule: Um 1505 wird erstmals ein Schulmeister erwähnt. Schulmeister in Kastenholz war auch Michael Breckner, der Großvater von Samuel von Brukenthal. Er zog nach Leschkirch. 1912 wurde mit dem Bau des evangelischen Schulgebäudes begonnen, 1914 wurde es eingeweiht. Im Parterre liegen die Klassenräume, im ersten Stock befindet sich der Gemeindesaal.
- Wappen: Das Viehbrandzeichen besteht aus einem Kreuz, das sich auf einer waagerechten Linie erhebt und von einem Hufeisen gekrönt wird.

HEIMATORTSGEMEINSCHAFT


In der Heimatgemeinde leben noch sechs Sachsen, alle anderen leben in ganz Deutschland verstreut. 1991 wurde die Heimatortsgemeinschaft (HOG) Kastenholz gegründet. Alle zwei Jahre findet ein Heimattreffen statt. Das Vorhaben, ein Heimatbuch zu erstellen, ist schwer zu verwirklichen. Von August 1944 bis März 1945 hausten die Russen im Pfarrhaus. Dabei wurde das Archiv vernichtet, das die Rumänen im März 1945 im Pfarrgarten verbrannten. Wir sind dennoch bemüht, ein Heimatbuch zu erstellen.



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Dokument: ../orte/kastenholz/index.html, Autor: Monika Ferrier, letzte Änderung am 09.01.99 Dirk Beckesch