Re: Lieber Hanzy, etwas Grundsätzliches


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Abgeschickt von Helle am 10. Mai 2000 um 20:34:16 Uhr:

Antwort auf: Lieber Hanzy, etwas Grundsätzliches von Philipp am 10. Mai 2000 um 12:35:06 Uhr:

Liebe Leute,

machen wir Schluss mit der Polemik und wenden uns den vom Focus
so sträflich vernachlässigten Fakten zu.
(Obwohl es mir recht schwerfällt, auf Marcels Beitrag von heute
nicht mit Polemik zu reagieren).

: Ich bin etwas erstaunt über Deine Reaktion.

: Wenn Du Dich in diesm Forum umschaust, wirst Du sehen, dass die meisten Siebenbürger keineswegs den von Dir beschriebenen "Schlußstrich" ziehen wollen, sondern dass vielfältige Kontakte nach wie vor weiterbestehen.

Richtig.
Es sei aber auch jenen, die einen Schlussstrich ziehen wollen, erlaubt, dieses zu tun. Ihr sprecht selbst in den Beiträgen zu diesem Thema von "persönlichen Gründen" eines jeden einzelnen. Das sollte und muss man
akzeptieren.

: Was sollten auch diejenigen Siebenbüger, die nach wie vor in Rumänien leben (und in diesem Forum aktiv sind), von derlei halten ?
: Wir alle wollen das Erbe unserer Vorfahren, die deutsche Kultur in Siebenbürgen, erhalten.

Das ist ein löblicher Vorsatz, er kommt allerdings, wie ich finde, gute 10 bis 20 Jahre zu spät.
Was möchtest Du gerne in Siebenbürgen erhalten, was noch siebenbürgisch ist. Die Kirchen? Die Dörfer?
Das hochblühende wissenschaftliche und kulturelle Leben? Machen wir uns doch nichts vor: Damit ist es vorbei.

Wenn Du allerdings der Meinung bist, das wir die "Erinnerung" an das siebenbürgische Leben und an die siebenbürgische
Kultur "wie es einmal war" erhalten sollten: bitte, da hast Du meine volle Unterstützung. Allerdings komme ich mir doch dabei
sehr wie ein Nachlassverwalter vor.
Dazu gehört dann aber auch, sämtliche Aspekte dieses Lebens zu beleuchten, auch die der letzten 50 Jahre und auch solche
Aspekte wie das Zusammenleben der einzelnen Gruppen innerhalb des Vielvölkerstaates Siebenbürgen.

Dabei denke ich, hat sich niemand mit Ruhm bekleckert, ob es nun Deutsche, Rumänen oder Ungarn waren.
Dass im nachhinein jeder versucht, sein Wirken unter ein besonders vorteilhaftes Licht und das des anderen in den
Schatten zu stellen, ist zwar menschlich, führt aber keinen Milimeter weiter.

: Ich kann Dir sagen, was ich und viele andere uns wünschen: dass Siebenbürgen eine wirkliche "europäische Region" in einem freien und geeinten Europa wird! Als Beispiel sei hier das Elsass genannt, dessen Geschichte ähnlich schwierig und wechselvoll wie die Siebenbürgens war. Heute ist es ein Musterbeispiel für eine Region in der Mitte Europas, die alle Belastungen überwunden hat, und Strassburg ein Zentrum Europas. Dabei waren Deutsche und Franzosen vor 50 Jahren noch "Erzfeinde" - diese Schwierigkeit gab und gibt es in Siebenbürgen zumindest nicht, die Bervölkerungsgruppen haben es stets geschafft miteinander auszukommen (und ich hoffe auch Deine Befürchtung, zum "Anti-...." zu werden, trifft nicht zu, inzwischen siehst Du alles wohl etwas gelassener, oder ?).
: Wir wollen doch nicht, dass die Kultur der Siebenbürger Sachsen nur noch musealen Wert hat, das die Leistungen der Gelehrten, die einen bedeutenden Beitrag zur Kultur Europas darstellen, in Vergessenheit geraten, dass alles, was unsere Vorfahren sich aufgebaut haben, in gewisser Weise umsonst war.

Zum Teil habe ich ja darauf schon im vorigen Absatz geantwortet. Elsass ist zwar ein schoenes Beispiel, aber kann man das wirklich mit Siebenbuergen vergleichen? Dazu muesste zumindest ein gehöriger Teil derjenigen, die ausgewandert sind, wieder zurückkehren.
Dann koennten wir vergleichen. Mir fallen da noch einige andere Gegenbeispiele ein, aber halten wir uns nicht mit
Spitzfindigkeiten auf.


: Du kannst in diesem Forum die Geburtsanzeige des kleinen Jan-Henri lesen, dessen Eltern aus Siebenbürgen stammen.In einem freien, geeinten Europa müssen die Erzählungen seiner Eltern nicht abstrakte Geschichte bleiben: vielleicht wird Jan-Henri eines Tages in Siebenbürgen arbeiten (vielleicht bei einer Internet-Firma?),dort ein Haus bewohnen (vielleicht das seiner Vorfahren?), seine Kinder auf ein deutsches Gymnasium mit jahrhundertealter Tradition schicken ?
: A propos Gymnasium: Die deutschen Schulen in Siebenbürgen werden heute mehrheitlich von rumänischen Kindern besucht, aber die Unterrichtsprache ist Deutsch und die Traditionen werden gepflegt - damit ist die Situation um einiges besser als z.B. im Elsass, wo in den traditionsreichen deutschen Schulen nur noch französisch gesprochen wird.

Aber, und da sind wir doch beim Thema "warum sind die siebenbürger Sachsen ausgewandert", wie war das in der Zeit des Auswanderungshöhepunktes und den 10 Jahren davor?
Habe ich es nicht etwa selbst miterlebt, wie systematisch Deutsch als Unterrichtssprache zumindest in den höheren Schulen durch Rumänisch ersetzt wurde?
Ist es etwa nicht so gewesen, dass schon alleine der regelmaessige Gang zum Konfirmandenunterricht eine ebenso regelmaessige Audienz beim Schuldirektor nach sich zog?
Dass deutsche Zeitungen nur noch eine reine Alibi-Funktion hatten (wenn es sie denn ueberhaupt noch gab) und die
deutsche Sendung im Fernsehen "abgewickelt" wurde?
Welche Bücher in deutscher Sprache konnte man denn noch kaufen?
Welche veröffentlichen?


: In diesem Zusammenhang ist es lohnenswert sich vor Augen zu führen dass der kulturelle Fortschritt in Europa, und damit auch die Errungenschaften unserer Vorfahren, in früheren Jahrhunderten nicht durch Visa- und andere Beschränkungen erschwert wurde.
: Es geht hier einfach darum den eisernen Vorhang wirklich zu entfernen, die Folgen von zweitem Weltkrieg und Kommunismus, die den Siebenbürger Sachsen soviel zugefügt haben, wirklich zu überwinden.

Nun ja, erstens moechte ich Dir darauf antworten, dass die Siebenbürger Sachsen nicht ganz unschuldig daran waren, wie es mit ihnen nach den zweiten Weltkrieg weiterging.
Zweitens, finde ich, sind wir etwas vom eigentlichen Thema abgekommen. Du schreibst weiter oben von einer "europäischen Region".
Was meinst Du damit?
Geografisch liegt Siebenbürgen in Europa (und nicht im Kaukasus, dem Ural, Kasachstan oder dem legendaeren Schattenreich der Vampire, wie viele in diesem Lande meinen)
Die "westliche europäische Region", nehmen wir mal Grossbritannien, Frankreich, Niederlande und Deutschland existiert doch nur auf dem Papier.
Was haben wir denn von dem angepeilten Ziel? Einen katastrphalen Euro-Kurs und sonst nicht viel mehr.
Wenn wir mal die wirtschaftlichen (ohne Zweifel vorteilhaften) Aspekte beiseite lassen:
Frag mal einen Engländer, was er von diesem Thema hält. Schau Dich mal in Frankreich um, wo wir uns neulich als internationale Gruppe in
einem 5-Sterne Restaurant vom Oberkellner anhören mussten, die einzigen 5 Sprachen die er beherschen würde seien 5 französiche Idiome.
Und das ist kein Einzelbeispiel, um dem gleich vorzubeugen.
In den Köpfen muss sich noch einiges tun, nicht auf dem Papier, und davon sind wir noch Jahre entfernt.

: Und wenn nun einge versuchen diese Grenzen aufrechtzuerhalten, dann muss man dem entschieden entgegentreten, wobei wir wieder bei Focus und Co. wären.
Gut, stimme ich Dir bei. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass handfeste wirtschaftliche Ueberlegungen hier ebenfalls eine Rolle spielen.
Frage doch mal einen portugiesischen oder griechischen Bauern, was er vom EU-Beitritt Rumäniens oder Bulgariens hält.
Hier geht es (auch) um prall gefüllte Geldtöpfe, nicht um Revanchismus.


: Ich glaube nicht dass es sich um eine "Überreaktion", wie Du schreibst handelt. Journalistische Kritik ist wichtig - pauschale Verunglimpfungen sind inakzeptabel.

Ja klar. Aber findest Du nicht, das ein Teil der Beiträge zu Deinem Thema sich von solchen Attributen, wie Du sie oben ansprichst, nicht ganz freisprechen koennen?
: Ich denke Du siehst, um was es uns geht.Und dafür sind das Sibiweb und dieses Forum auch da, meinst Du nicht ?

Dem kann man nur zustimmen.
: Beste Grüsse, Philipp

Helmut.





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